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Kegeln - Regeländerung Kegeln - Regeländerung: Einzug der Hundertzwanzig steht an

Von Uwe Lehmann und Christian Kattner 25.07.2014, 18:39
Pro und Kontra: Das neue System eröffnet neue Möglichkeiten, verändert das Spiel aber gravierend.
Pro und Kontra: Das neue System eröffnet neue Möglichkeiten, verändert das Spiel aber gravierend. Löffler/Archiv Lizenz

Dessau-Rosslau/MZ - In den Pokalwettbewerben wird schon seit geraumer Zeit damit gespielt, bei internationalen Wettkämpfen und anderen Ländern gilt es ebenfalls: das 120-Wurf-Spiel. Der Weltverband der Classic-Kegler hat es vor einigen Jahren eingeführt, um ein einheitliches Spielsystem zu installieren, das von jeder Altersklasse gespielt wird. Wird in fast allen Ländern nicht mehr über das Spielsystem geredet, so sorgt es in Deutschland noch immer für Diskussionen.

Der deutsche Keglerbund wehrte sich lange gegen den Eingriff in die nationale Hoheit und nahm sogar internationale Sperren in Kauf. Auch in diesem Sommer wurde sich wieder darüber der Kopf zerbrochen, ob nun mit 100, 120 oder 200 Wurf gespielt werden soll. Doch auch Deutschland kann sich nicht mehr dagegen wehren. Ab der Saison 2014/15 wird in Sachsen-Anhalt in allen Ligen auf Landesebene das 120-Wurf-Spiel mit Punkten eingeführt. Unterschiedliche Meinungen gibt es allerdings weiterhin.

Kleinste Fehler bestraft

„Ich bin für das 200-Wurf-Spiel, aber auch nicht gegen das 120-Wurf-Spiel mit Wertungssystem“, sagt etwa der Dessauer Kreiskegelbundvorsitzende Guido Lehmann, wo man zumindest das 120 Wurfspiel mit Kegelwertung schon einige Jahre spielt. „120 Wurf mit internationaler Wertung sind interessant, können aber genauso schnell entschieden sein wie 200-Wurfspiele. Ich habe das neue System ja schon sehr oft spielen dürfen im DKBC-Pokal und Landespokal. Die Spiele sind kürzer.“

Beim 100 Wurf-Spiel wird über zwei Bahnen gespielt. Auf jeder Bahn müssen 25 Wurf in das volle Bild gespielt werden und danach 25 Wurf im Räumerspiel.

Über vier Bahnen erstreckt sich analog zum 100-Wurf-Spiel auch das 200-Wurf-Spiel.

Ebenfalls über vier Bahnen, aber nur je 15 Volle und 15 Abräumer, müssen über die Distanz von 120 Wurf absolviert werden. Gewertet werden bei all diesen Systemen die erzielten Kegel.

Beim Punktsystem über die 120 Wurf wird im direkten Duell zudem jede gespielte Bahn mit Punkten bewertet.

Bei einem 2:2-Gleichstand entscheidet dann die erzielte Kegelanzahl über den Sieg im Duell. (ul)

In anderen Regionen sieht man das anders. „Ich bevorzuge definitiv 200 Wurf“, sagt etwa Steffen Voigt, „in meinen Augen ist es die Königsdisziplin im Kegeln. Es ist meiner Meinung nach wesentlich einfacher, mal eine 550 auf 120 Wurf zu spielen. Aber die 900er Hürde ist nicht so schnell bei 200 Wurf übersprungen. Da gehört neben der körperlichen Fitness vor allem auch eine unfassbare mentale Energieleistung dazu“, so der Spieler der SG Drosa aus dem Nachbarkreis.

„Ich trauere den 200 Wurf nach, da zählte noch die Leistung“, sagt Mario Hetzer, Spieler der 1. Herrenmannschaft des SV Lok Aschersleben, „das neue System verfälscht die Ergebnisse, Fehler werden nicht verziehen.“ Aber für welche Sportart gilt das schon? Im Finale einer Fußball-Weltmeisterschaft kann ein Tor entscheiden, da entscheidet auch ein Fehler über Sieg oder Niederlage. Es fordert deshalb auch kein Fußballer, dass noch länger gespielt werden soll, um eine größere Chance zu haben, diesen Fehler ausgleichen zu können. Für viele Kegler ist der Ansatz der falsche. Es mache doch gerade den Reiz im Sport aus, dass man seine Fehler minimiere, immer weiter an seinem Spiel feile.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, was der Teamkapitän der 1. Herrenmannschaft von Union Sandersdorf über das 120-Wurf-System sagt.

Es gibt auch in Sachsen-Anhalt Spieler, die das 120-Wurf-System für eine große Chance halten. „Ich habe den letzten Spieltag herbei gesehnt, um endlich 120 Wurf spielen zu können“, sagt Patrick Jahn. Der Unterschied sei für den Teamkapitän der 1. Herrenmannschaft von Union Sandersdorf ganz einfach: „Du bist am Ende genau so fertig wie nach 200 Wurf, weil du dich so konzentrieren musst. Der kleinste Fehler in den Räumern wird bestraft und du verlierst den Satz oder sogar den Mannschaftspunkt.“ Aufgrund der psychischen Belastung erfahre der Kegelsport ein neues Niveau. „Es ist nicht mehr nur: Rauf auf die Bahn, spielen und gucken wie es ausgeht. Du hast Chancen Spiele zu gewinnen, in denen du es dir nie vorgestellt hast. Durch den taktischen Aspekt wird es sehr interessant.“

Patrick Jahn vergleicht die Diskussionen in Deutschland gern mit dem Fußball: „Seit 1998 diskutieren wir in Deutschland über den Sinn von 200/120 Wurf. Wenn im Fußball die FIFA festlegt, dass ab sofort vier Viertel mit jeweils 25 Minuten gespielt werden, wird auch nicht diskutiert und es gleich bis zur Kreisklasse durchgezogen.“

Gewinnt nicht immer der Bessere?

Guido Lehmann gibt jedoch zu bedenken: „Der Punkt, der mich bei dem Wertungssystem stört ist, dass es die theoretische Möglichkeit gibt, dass die schlechtere Mannschaft das Spiel gewinnt. Das passiert sicherlich in 99,5 Prozent der Fälle nicht, aber die theoretische Möglichkeit lässt mich diese Entscheidung nur akzeptieren, ich trage sie nicht mit. “

„Ich glaube in ein, zwei Jahren spricht keiner mehr über diesen Systemwechsel und alle werden erkennen, wie spannend die Punktspiele sein können“, ist Gunnar Stortz, Vizepräsident im Kreiskeglerbund Anhalt-Bitterfeld, trotzdem überzeugt, „das neue System lässt viel mehr taktische Möglichkeiten für die Mannschaften zu“.