Knapp der Schließung entgangen Karstadt Dessau: Veränderung und Zukunft

Dessau - Sind die dunklen Zeiten vorbei? Bei Karstadt in Dessau heilen die Wunden. Vor etwa einem Jahr stand die Filiale noch vor dem Aus: Am 31. März 2016 sollte Schluss sein. Gerettet werden konnte der Standort dann im Oktober überraschend durch einen Eigentümerwechsel.
Der Besitzer des Rathaus-Centers, die Deutsche Euroshop AG mit Sitz in Hamburg, kaufte das Karstadt-Gebäude, ein neuer Mietvertrag wurde ausgehandelt. Seitdem heißen die offiziellen Schlagworte Veränderung und Zukunft.
Die Filiale in Dessau mit 70 Mitarbeitern setzt nach eigenen Angaben auf eine lokale Ausrichtung und neue Prozesse. Nicht alles findet Zuspruch: So steht das neue Kassensystem wegen der Wartezeiten in der Kritik. Zudem taucht ein altes Thema wieder auf: der Wunsch nach längeren Öffnungszeiten.
Neue Prozesse
Sieben Millionen Kunden hat das Unternehmen zwischen 2009 bis 2013 verloren - auch in Dessau war der Umsatz vor der Schließungsankündigung seit Jahren rückläufig. Karstadt muss Kunden zurück holen, Geld verdienen - sich weiterentwickeln. Im abgelaufenen Geschäftsjahr hatte der Warenhauskonzern das erste Mal wieder Geld über den Ladentisch verdient. Der Optimismus setzt sich in Dessau fort.
„Der Standort entwickelt sich nun sehr positiv“, sagt Filialgeschäftsführerin Annette Dieckmann. Verbunden damit aber ist ein straffes Sanierungsprogramm. Und die Filiale in Dessau musste einiges aufholen.
Die Nachricht schockte die Region im Mai 2015: „Das Karstadt-Warenhaus in Dessau wird zum 31. März 2016 geschlossen.“ Der Aufsichtsrat hatte Schließungsbeschlüsse für Filialen in Dessau, Bottrop, Recklinghausen, Neumünster und Mönchengladbach gefasst. Nach Angaben des Unternehmens waren Umsatz und Ergebnis in den Häusern seit Jahren negativ. Die betroffenen Orte hätten erhebliche lokale Nachteile, teilte das Unternehmen in Essen mit. Der Wettbewerbsdruck steige durch innerstädtische Einkaufscenter und rückläufige Einwohnerzahlen. Die Filiale in Dessau liegt in unmittelbarer Nachbarschaft zu einem anderen großen Einkaufstempel.
Nun, nach fast einem Jahr, hat sich die Lage gewandelt: Zwar schließen die Karstadt-Häuser Recklinghausen und Bottrop. Doch neben Dessau gab es Lösungen für die Filialen in Mönchengladbach und Neumünster.
Als Standort auf der Schließungsliste hatte 2015 plötzlich die Zeit still gestanden. „Wir arbeiten heute mit komplett anderen Prozessen als noch vor einem Jahr“, erklärt Karstadt-Vertriebschef Thomas Wanke. „Nach der Rettung der Filiale mussten die Mitarbeiter sehr schnell zum Gesamtunternehmen aufschließen.“
Straffung und Spezialisierung
Die Beschäftigten - die meisten sind seit 1994 bei Karstadt in Dessau - mussten sich in neue Abläufe einarbeiten. Es geht um Straffung und Spezialisierung: Es macht nicht mehr jeder alles, sondern die Aufgaben sind getrennt worden. „Die Teams sind so organisiert, dass sich jetzt jeweils Spezialisten um den Warenservice, den Verkauf und das Kassieren kümmern“, so Wanke.
Teil davon sind auch neue Abläufe an der Kasse und neue Kassensysteme. Auf insgesamt vier Etagen gibt es jetzt allerdings nur auf zweien Kassenplätze - und das ärgert Kunden, die über lange Wartezeiten klagen.
Die Filial-Chefin Dieckmann räumt ein: „Natürlich gibt es in der Übergangszeit auch Engpässe, am Ende werden wir aber mit der neuen Aufstellung schneller und besser kassieren.“ Zentralkassen seien anders als temporäre Kassen, wie in der Vergangenheit, zudem durchgängig besetzt.
Das erwartet die Kunden
Nach eigenen Angaben will Karstadt das Sortiment stärker an lokalen Kundenbedürfnissen ausrichten. Nach der Rettung 2015 wurde das Angebot bei Uhren, Schmuck, Parfümerie und Damenwäsche vergrößert.
„In den vergangenen Monaten haben wir uns genau angesehen, was in Dessau nachgefragt ist“, sagt Dieckmann. Es habe ausführliche Befragungen gegeben. „Im Sommer und Herbst planen wir, neue Marken für Damen- und Herrenmode einzuführen.“ Welche, dazu gibt es auf Nachfrage keine Antwort.
Größerer Umbau
Veränderungen sind auch bei den leeren Flächen im Erdgeschoss geplant. Dort waren zwei Mieter ausgezogen - Apollo Optik und ein Zeitschriftenladen. Eine Fläche betreibt Karstadt künftig in Eigenregie. Der Leerstand fällt auf, befindet er sich doch an exponierter Stelle direkt am Eingang vom Rathaus aus.
Im Untergeschoss wiederum läuft aktuell ein größerer Umbau. Nähere Details gibt Karstadt nicht bekannt: „Für die leeren Flächen im Erdgeschoss gibt es drei Interessenten“, heißt es. Es bestünden bereits Vereinbarungen. Näheres werde in den kommenden Wochen verkündet.
Öffnungszeit als Standortfaktor
Es ist ein brisantes Thema: In der vergangenen Woche erst hatte die Nachricht für Aufruhr gesorgt, dass René Benko, Chef des Karstadt-Konzerns, bis zu einem Drittel der Verkaufsflächen an andere Einzelhändler vermieten will (MZ berichtete). Als potenzielle Mieter wurden Textil- und Lebensmitteldiscounter sowie Drogeriemärkte genannt. Denn es gibt auch Sorge, dass man sich mit den neuen Untermietern nicht auch unmittelbare Konkurrenz ins Haus holt.
Eindeutig ist dagegen die Ablehnung verlängerter Öffnungszeiten in Dessau. Seit etwa einem Jahr schließt Karstadt bereits um 19 Uhr, das Center mit vielen anderen Geschäften aber um 20 Uhr. „Die Erfahrung und die Bewertung anderer Einzelhändler im Center zeigen, dass die Nachfrage der Kunden sich sehr stark auf die Zeit vor 19 Uhr konzentriert“, erklärt Karstadt-Unternehmenssprecher Stefan Hartwig. „Deshalb hat es gegenwärtig keinen Sinn, die Arbeitszeit der Mitarbeiter auf nach 19 Uhr auszudehnen.“
Das Management für das Rathaus-Center hat andere Rückmeldungen: „Natürlich wünschen sich Kunden und andere Geschäfte, dass Karstadt wieder bis 20 Uhr öffnet“, sagt Centermanagerin Anica Helbing. „Karstadt ist ein Ankermieter und der Name zieht nach wie vor Kunden. Sicherlich wäre es ein größerer Standortvorteil, wenn man mit einheitlichen Öffnungszeiten werben kann.“ (mz)