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Kampf um Bleiberecht in Dessau Kampf um Bleiberecht in Dessau: Serbische Familie Gasi überraschend abgeschoben

Von Annette Gens 24.08.2015, 17:57
Merita und Gazmen Gasi mit ihren vier Kindern. Im Mai 2014 waren sie nach Deutschland eingereist und hatten die Hoffnung hier zu bleiben, sich ein neues Leben aufzubauen. Doch laut Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge wird die Familie kein Bleiberecht erhalten.
Merita und Gazmen Gasi mit ihren vier Kindern. Im Mai 2014 waren sie nach Deutschland eingereist und hatten die Hoffnung hier zu bleiben, sich ein neues Leben aufzubauen. Doch laut Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge wird die Familie kein Bleiberecht erhalten. George Lizenz

Dessau - Bilal (6) sollte ab dieser Woche die Regenbogenschule besuchen. Seine zwei Jahre ältere Schwester wäre dann in die zweite Klasse der Grundschule Mariannenstraße gegangen. Doch daraus wird nichts. Die Kinder saßen am Montagvormittag samt ihren Eltern und zwei jüngeren Geschwistern im Flieger von Berlin nach Belgrad, die Hauptstadt Serbiens.

Die Familie Gasi, für die in der vergangenen Woche ein überparteiliches Bündnis um Solidarität bat, weil ihr die Abschiebung aus Dessau drohte, ist in der Nacht zum Montag aus Deutschland abgeschoben worden. Familienvater Gazmen Gasi schickte gestern aus dem Flugzeug bewegende Szenen. Er ist emotional stark berührt, als er per Video auf seiner Facebookseite und an Freunde postet, was passiert ist. Nachts gegen 3 Uhr sollen 15 Polizisten vor seinem Wohnhaus in Dessau gestanden haben. Begleitet wurden diese von der Leiterin der hiesigen Ausländerbehörde. Erklärt wurde der Familie, dass es „jetzt soweit ist“. „Ich durfte niemanden benachrichtigen und nicht telefonieren, meine Frau und die Kinder weinten“, schildert Gasi im Flugzeug sitzend bzw. später auf MZ-Nachfrage.

Im Heimatland beleidigt und bedroht

Gazmen Gasi hatte noch in der vergangenen Woche in einer Pressekonferenz im Radisson Blu Hotel „Fürst Leopold“ öffentlich erklärt, dass er und seine Familie in Serbien einer ethnischen Minderheit angehören und sie deshalb in ihrem Heimatland als muslimische Roma mehrfach beleidigt und bedroht worden sind. Der 29-jährige Familienvater war deshalb samt Frau und vier Kindern aus dem Land ausgereist und wollte sich in Deutschland eine Existenz aufbauen.

Seit Mai 2014 lebte die Familie in Dessau. Sie fasste offenbar relativ schnell Fuß. Töchterchen Nafia wurde eingeschult und habe inzwischen das erste Zeugnis mit guten Noten heimgebracht, so der Vater.

Keinen. Über den Asylantrag entscheidet ausschließlich das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Die Asylanträge wurden als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Ein anderer Schutzstatus (ethnische Minderheit) wurde nicht zuerkannt, Abschiebungsverbote nach Gesetz sind nicht festgestellt worden. Deshalb erging die Ausreiseaufforderung, die BRD innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Die Ausländerbehörde ist für den Vollzug der Abschiebung zuständig.

Nein. Weil ethnische Minderheiten in Serbien laut Einschätzung des Auswärtigen Amtes keine Repressalien zu erdulden haben. Ethnische Minderheiten haben in Serbien die Möglichkeit, Wohnraum zu erhalten, nehmen am Krankenversorgungssystem teil und erhalten - sofern sie ihr Leben nicht durch Arbeit absichern können - staatliche Unterstützung. Sie müssen sich dafür registrieren lassen.

Serbien gilt als sicherer Herkunftsstaat. Chancen auf positive Asylverfahren sind auf Einzelfälle bezogen und als sehr gering einzuschätzen.

Keinesfalls. Das Kind der Familie wurde im Herbst 2014 zwei Wochen lang in der psychiatrischen Klinik Uchtspringe begutachtet. Es hat Defizite, ist aber reisefähig. Die Mutter der Kinder wurde sowohl von der Amtsärztin als auch durch Fachärzte des St. Joseph-Krankenhauses begutachtet. Ein Verdacht auf eine Erkrankung hat sich nicht bestätigt.

Der Asylantrag der Gasis wurde aber relativ zügig abgelehnt. Bereits im Juli vergangenen Jahres wusste sie vom negativen Entscheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Auch die Härtefallkommission beim sachsen-anhaltischen Innenministerium wurde angerufen. Sie lehnte Gasis Gesuch jedoch im Januar 2015 ab. Seitdem wurde die Familie geduldet. Zuletzt wurde diese Duldung vor eineinhalb Wochen bis zum 12. November 2015 verlängert. Jene Duldung ist in der Nacht zum Montag widerrufen worden, berichtet die Ausländerbehörde in Dessau.

Schock für Freunde

Auf die Abschiebung reagierten Freunde der Familie entsetzt. „Obwohl die Duldung der Familie Gazmen Gasi verlängert worden ist, wurde die Familie in einer Nacht- und Nebelaktion von 15 (!) Polizisten zum Flughafen gebracht und nach Serbien abgeschoben. Meines Erachtens ist das illegal, bei einer verlängerten Duldung“, erklärte der Berliner Publizist Holger Doetsch und fordert auf Facebook Freunde auf, sich ins Internet eingestellte Papiere der Familie genau anzuschauen. „Für uns ist die Abschiebung ein Schock“, sagte Doetsch und weiß um die Konsequenzen: Die Familie habe für einen Zeitraum von fünf Jahren Einreiseverbot nach Deutschland.

Doetsch kündigte Hilfe an. Es gebe mittlerweile sehr konkrete Unterstützungsangebote. Die Familie soll in Serbien begleitet werden.

„Familie Gasi wird in Belgrad vom serbischen Roten Kreuz in Empfang genommen“, sagte Stadtsprecher Carsten Sauer auf MZ-Nachfrage und korrigiert noch eins: „In der Nacht waren keine 15 Polizisten im Einsatz, sondern acht. Darüber hinaus noch ein Arzt, ein Sozialpädagoge und ein Sanitäter“, stellt er klar und erklärt nochmals: „Die Familie war ausreisepflichtig. In diesem Status gibt es keine Alternative zur Abschiebung.“ (mz)