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Jahresrückblick Oktober Jahresrückblick Oktober: "Sehr emotionales Arbeiten"

Von sylke kaufhold 16.01.2016, 09:20
In der Sprachschule Inlingua in Dessau werden Flüchtlinge verschiedener Nationen mit Basisdeutsch vertraut gemacht.
In der Sprachschule Inlingua in Dessau werden Flüchtlinge verschiedener Nationen mit Basisdeutsch vertraut gemacht. Lutz Sebastian Lizenz

dessau - Die Herbsttagung der Inlingua-Sprachschulen Ende Oktober 2015 wird Ilka Ullmann so schnell nicht vergessen. Deutschkurse für Flüchtlinge waren das große Thema. Der Bundesrat hatte Mitte Oktober das Asylbeschleunigungsgesetz auf den Weg gebracht. Danach können Sprachkurse auch für Asylbewerber durchgeführt werden, deren Verfahren noch nicht abgeschlossen ist. „Doch etwas Genaues wusste keiner, innerhalb von Stunden kamen immer wieder neue Richtlinien raus“, schildert die Leiterin der Dessauer Inlingua-Sprachschule die damalige Situation.

Dabei hatten sich die Dessauer schon auf die neuen Aufgaben eingestellt. „Wir hatten schon tausende Flyer gedruckt“, erzählt Ilka Ullmann. Allerdings stand dort neben Iran, Irak, Syrien und Eritrea auch Afghanistan als Land drauf, dessen Asylbewerber eine Bleibeperspektive haben. Afghanistan war aber kurze Zeit später als Krisengebiet gestrichen worden. „Also strichen wir Afghanistan auch durch.“

Am 2. November begann in der Schule, die im Dessau Center ihr Domizil hat, der erste sogenannte Einstiegskurs mit 25 Teilnehmern. Bis zum 16. Dezember begannen sieben solcher Sprachkurse, die 320 Unterrichtsstunden umfassen. „Die Angekommenen bekommen in den täglich vier bis fünf Unterrichtsstunden Basisdeutsch vermittelt“, erklärt die Schulleiterin „und es wird ihnen Orientierungshilfe in der Stadt und im Alltag gegeben“. So standen beispielsweise Besuche in der Bibliothek und im Tierpark ebenso auf dem Unterrichtsplan wie eine Fahrt mit der Straßenbahn oder Informationen zum Leben in einem deutschen Mietshaus. „Der Name am Briefkasten, die Toilettenbenutzung oder die Mülltrennung müssen erst gelernt werden.“

Zusätzliches Personal

Eventuell vorhandene Sprachkenntnisse werden im Vorfeld der Einstiegskurse nicht abgefragt. „Da kann der Arzt neben dem Analphabeten sitzen.“ Viele junge Leute zwischen 18 und 35 Jahren seien in den Kursen- Mediziner, Ingenieur, Kameramann, Schulabbrecher. Motiviert seien alle gleichermaßen, so die Erfahrungen von Ullmann und ihrem Team. Auch würden sie die Teilnehmer als sehr höflich und zuvorkommend erleben. „Es gab bisher keinerlei Probleme im Miteinander, auch unsere weiblichen Lehrer werden akzeptiert.“

Auf 18 Deutschlehrer ist das Dessauer Inlingua-Team im Lauf des vergangenen Jahres angewachsen. „Das Jahr war für uns eine echte Herausforderung“, blickt Ilka Ullmann zurück. Nicht nur zusätzliches Personal wurde gebraucht, auch weitere Räumlichkeiten, u.a. in Vockerode, Zerbst und Roßlau mussten angemietet und eine Unmenge an Kursmaterial beschafft werden. „Wir haben täglich 270 Leute hier, die Deutsch lernen“, macht die Schulleiterin deutlich. Denn nicht nur die Einstiegskurse werden durchgeführt, ebenso mehrere Integrationskurse, Alphabetisierungskurse sowie die Kurse „Deutsch für den Beruf“. „Wir hatten ja zum Jahresbeginn unseren ganz normalen Arbeitsplan erstellt auf den wir die Einstiegskurse sozusagen draufgesattelt haben.“ Was bedeutet, dass der Unterricht jetzt Vor- und Nachmittags stattfindet.

Nicht nur arbeitsintensiv war das Jahr, „es ist auch ein sehr emotionales Arbeiten im Moment für uns“, berichtet Ilka Ullmann. Die Schicksale und Fluchtgeschichten ihrer Kursteilnehmer seien mitunter „sehr heftig“ und ließen einen nicht kalt.

Der Stadt spricht die Schulleiterin für ihre Flüchtlingsarbeit ein Lob aus. „Ich habe den Eindruck, dass es sehr gut funktioniert.“ Wie es im neuen Jahr mit den Einstiegskursen weitergeht, vermochte Ilka Ullmann im Dezember allerdings noch nicht zu sagen. Bisher haben neben Inlingua auch die Euroschulen und die Volkshochschule solche Kurse angeboten. „Wir arbeiten sehr eng zusammen, das läuft prima“, ist Ullmann zufrieden. (mz)