Interview mit Amtsärztin Irena Hörhold Interview mit Amtsärztin Irena Hörhold: Die Gesundheit der Flüchtlinge im Blick

dessau-rosslau - Die zunehmende Anzahl an Flüchtlingen in der Stadt wirft bei der einheimischen Bevölkerung viele Fragen auf und sorgt für Beunruhigung. Viele haben Angst, dass die Flüchtlinge ansteckende Krankheiten einschleppen könnten oder dass sie nicht ausreichend geimpft seien und deshalb Gefahr für die einheimische Bevölkerung, insbesondere die Kinder in den Kindertagesstätten und Schulen besteht. MZ-Redakteurin Sylke Kaufhold sprach zum Thema medizinische Versorgung der Asylsuchenden mit der Amtsärztin der Stadt Dessau-Roßlau, Irena Hörhold.
In welchem Gesundheitszustand kommen die Flüchtlinge in der Stadt an?
„In einem guten“, schätzt die Amtsärztin ein. Die Flüchtlinge, die in Dessau-Roßlau landen, werden von der Zentralen Aufnahmestelle Halberstadt (Zast) zugewiesen. Und dort erhalten alle eine medizinische Erstuntersuchung, die dazu dient, Infektionskrankheiten frühzeitig zu erkennen und deren Verbreitung zu verhindern. „Diese Unterrichtung ist für alle Pflicht“, betont die Amtsärztin. Ab dem 15. Lebensjahr werde außerdem die Lunge geröntgt, um Tbc auszuschließen. Zeigt das Röntgenbild einen Verdacht an, wird der oder die Betreffende in eine Lungenfachklinik zur Behandlung überwiesen. „Sie werden auf keinen Fall an die Landkreise oder Städte zugewiesen“, betont Hörhold. Verdachtsfälle habe es bereits einige gegeben, da die Tuberkulose in den Herkunftsländern der Flüchtlinge noch verbreitet sei.
Auch einzelne Infektionskrankheiten wie Malaria, Typhus, Hirnhautentzündung kommen in den Herkunftsländern noch häufiger vor. Durch mangelnde Hygiene während der Flucht können Krätze, Läuse oder anderer Parasitenbefall vorkommen. Auch das wird bei der Erstuntersuchung wenn nötig behandelt. Hauptsächlich verbreitet sind aber Husten, Schnupfen, normale Durchfallerkrankungen. Wie bei der hiesigen Bevölkerung auch. Die Flüchtlinge seien durch die Flucht körperlich geschwächt, lebten in den Unterkünften auf engem Raum und seien damit besonders anfällig dafür. Ansonsten habe es in Dessau-Roßlau, verursacht durch Flüchtlinge, noch keine wesentlichen schweren Infektionskrankheiten gegeben, die eine Gefahr für die Bevölkerung darstellen könnten. „Es wird an allen Ecken das Möglichste getan, um das zu verhindern“, sagt Irena Hörhold.
Die Städte bekommen für jeden aufgenommenen Flüchtling die Berichte der Erstuntersuchung von der Zast zugeschickt. „Sind dort Auffälligkeiten vermerkt, gehen wir dem hier nach, suchen den Betreffenden zielgerichtet auf.“ Auch stehen die Städte im engen Austausch mit der Zast. Werden ärztliche Behandlungen notwendig, steht der Amtsärztin ein syrischer Arzt für Dolmetscherdienste zur Verfügung. Er ist im Sommer nach Dessau gekommen und bot seine Hilfe an.
Sind Flüchtlinge geimpft?
Da die Gesundheitssysteme in den Kriegsländern nicht mehr funktionieren, ist auch ein 100-prozentiger Impfschutz nicht mehr gegeben. In Syrien zum Beispiel gab es bis 2011 ein sehr gut funktionierendes Impf- und Gesundheitssystem. Man kann also davon ausgehen, dass Kinder und Jugendliche dort einen sehr guten Impfstatus haben. Für sie finden hier die normalen Auffrischungsimpfungen statt. Allerdings haben viele keine Impfdokumente dabei. „Wir prüfen jeden Einzelfall und gegebenenfalls werden alle Impfungen nachgeholt“, erklärt Irena Hörhold. Geimpft wird gegen Keuchhusten, Diphterie, Tetanus und Kinderlähmung sowie Mumps, Masern, Röteln. Und in der jetzigen Jahreszeit gegen Grippe.
Geht von Kindern, die in die Kita oder Schule gehen, eine Gesundheitsgefahr aus?
Nein. Vor der Schulaufnahme wird jedes Kind durch den kinder- und jugendärztlichen Dienst untersucht und Impfungen angeboten. Ohne diese Bescheinigung erfolgt keine Aufnahme in den Schulen. Eine ärztliche Bescheinigung ist auch für den Kita-Besuch notwendig. Diese wird im Gesundheitsamt oder von niedergelassenen Kinderärzten ausgestellt. Ärztlich untersucht werden nach ihrer Ankunft auch die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge (bisher gibt es die in Dessau noch nicht). „Es besteht also ein recht engmaschiges Netz der medizinischen Kontrolle“, schätzt die Amtsärztin ein und gibt bezüglich eventueller Gefahren Entwarnung. (mz)