Informatik im Netz Informatik im Netz: Statt Seminar Treff im Chat-Room
Köthen/MZ. - Thomas Gdowzok aus Köthen gehört zu jenen 18 Fernstudenten, die ab sofort ein Aufbaustudium der Fachrichtung Informatik am PC im heimischen Arbeitszimmer absolvieren werden. Vergangenen Samstag war er deshalb zusammen mit künftigen Kommilitonen in das Ratke-Gebäude der Hochschule Anhalt (FH) gekommen, um an der Einführungsveranstaltung teilzunehmen und sich eine CD abzuholen, auf der der gesamte Studienstoff abrufbar ist (die MZ berichtete).
Eine gute Sache, wie der Köthener Diplom-Ingenieur für Anlagenbau meint, der in der EDV-Branche tätig ist. "Auf diese Weise kann ich meinen Beruf weiter ausüben und mein Wissen erweitern." Das neue Studium unterscheidet sich sehr von dem, das Gdowzok in den Jahren zwischen 1985 und 1989 an der Ingenieurhochschule in Köthen absolviert hat. Damals hat er noch Vorlesungen und Seminare besucht. Bei dem Web-basierten Aufbaustudiengang für Nicht-Informatiker, den die Hochschule Anhalt gemeinsam mit der Hochschule Harz und der Fachhochschule Merseburg entwickelt hat, werden Vorlesungen und Seminare durch digitale Lehrmaterialien ersetzt, die sich die Studierenden nach eigener Zeiteinteilung und selbst gesetzten Schwerpunkten erarbeiten. "Hat ein Student das Bedürfnis, mit den Lehrenden zu kommunizieren, kann er das per E-Mail tun", erklärt Professor Dr. Detlef Klöditz, Dekan im Fachbereich Informatik. Statt der Seminare steht für Fragen zum Beispiel ein Chat-Room im Internet zur Verfügung. Übungen und Praktika können im Internet aber auch an der anbietenden Hochschule durchgeführt werden. Nur die Prüfungen werden nach wie vor vor Ort abgenommen.
Innerhalb des vier Semester dauernden Fernstudiums, für das eine Studiengebühr von 4000 Euro zu entrichten ist, gibt es acht Module, darunter fünf Pflichtmodule. In Köthen werden ab sofort die Module Rechner- und Betriebssysteme sowie Datenorganisation/Datenbanken angeboten. Programmierung, Softwaretechnik und Rechnernetze heißen die drei von Merseburg entwickelten Module. Weitere kommen im März 2003 und im Herbst 2004 hinzu und sind auch in Wernigerode angesiedelt.
Die Idee zu diesem Aufbaustudium, das mit einem Diplom abgeschlossen wird und in seiner Art einmalig in Deutschland ist, sei im Zuge der Greencard-Diskussion entstanden, erklärt Prof. Klöditz. Ziel sei es, dem Bedarf der Wirtschaft nach IT-Spezialisten Rechnung zu tragen. Die Dekane der drei beteiligten Hochschulen hätten daher um die Finanzierung des Projektes gekämpft. "Ende vorigen Jahren haben wir das Geld dafür bekommen". so Klöditz. Drei Millionen Mark habe das Bundesforschungsministerium dafür zur Verfügung gestellt. Geld, das vor allem in die Entwicklung der Module geflossen ist.
Dass die drei Hochschulen damit auf dem richtigen Kurs sind, beweist das Interesse an der neuen Ausbildungsform. Nicht nur aus der näheren Umgebung kamen am Samstag Studienbewerber. Claudia Stettner war zum Beispiel aus Ludwigsburg in Baden-Württemberg angereist. "Ich bin über das Internet auf das Fernstudienangebot in Köthen aufmerksam geworden", sagt sie. "Besonders gereizt hat mich, dass man das Aufbaustudium mit einem Diplom abschließen kann." Auch Anfragen aus dem arabischen Raum habe er auf der Cebit schon bekommen, erzählt Klöditz. Allerdings könne man da nicht helfen. Zum einen müssten Praktika und Prüfungen vor Ort abgelegt werden, zum anderen seien die Module vorerst nur in deutscher Sprache abgefasst.