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Fast 2.000 Tonnen Altreifen In Dessau-Alten ist die größte illegale Altreifen-Deponie in ganz Sachsen-Anhalt

Von Thomas Steinberg 07.06.2017, 12:00
Illegale Altreifen-Ablagerungen auf einem Grundstück in Dessau nahe der Bahnlinie nach Köthen.
Illegale Altreifen-Ablagerungen auf einem Grundstück in Dessau nahe der Bahnlinie nach Köthen. Privat

Dessau - Sie liegen gut versteckt, sind von der Straße nicht zu sehen, doch dafür gut in der Satellitenansicht von Google Maps auszumachen: 1.800 Tonnen Altreifen, abgelagert auf einem Grundstück in Dessau-Alten nahe der Bahnlinie nach Köthen.

Von den vier illegalen Deponien dieser Art ist es die weitaus größte ihrer Art in Sachsen-Anhalt. Und ein langjähriges Ärgernis.

Neu aufgebracht hat dieses Thema der SPD-Landtagsabgeordnete Rüdiger Erben.

Antwort der Landesregierung

Die Landesregierung zierte sich erst mit Auskünften und antwortete zunächst verschwurbelt: „An keinem Standort in Sachsen-Anhalt wird eine Anlage zur Lagerung von Altreifen ohne die dementsprechend erforderliche Genehmigung betrieben.“

Also alles in Ordnung? Das widersprach Erbens Beobachtungen, denn in seinem Wohnort Weißenfels existiert eine Reifendeponie.

In einer zweiten Antwort blieb die Landesregierung dabei: Illegale Altreifenlager gibt es nicht. Aber illegale Altreifenablagerungen.

Illegale Altreifen-Deponie

Der kleine sprachliche Unterschied ist juristisch sehr bedeutsam. Altreifenlager sind Recyclinganlagen und müssen ab einer Kapazität von 100 Tonnen genehmigt werden.

Ein Verstoß gegen diese Vorschrift stellt eine Straftat dar. Altreifenablagerungen hingegen sind kleine Autoschlappensammlungen im Wald oder monströse wie im Hinterland der Dessauer Hünefeldstraße. Eine solche anzulegen, stellt nicht mehr als eine Ordnungswidrigkeit dar.

Recycling von Altreifen

Die Masse gebrauchter Altreifen summierte sich 2015 nach Auskunft des Wirtschaftsverbandes der deutschen Kautschukindustrie auf 568.000 Tonnen. Inzwischen werden nahezu 100 Prozent der Altreifen wiederverwertet.

Der größte Teil – insgesamt 215.000 Tonnen – landet in der Zementindustrie.

Mit Blick auf die Umweltbilanz ist das durchaus sinnvoll: Im Gummi der Altreifen steckt ein sehr hoher Anteil nachwachsender Rohstoffe in Form von Naturkautschuk, und der Reifenbestandteil Stahl ersetzt Eisenerz als Zuschlagsstoff.

Wiederverwendung in Asphalt

Etwas mehr als ein Drittel der Altreifen wird geschreddert und dann als Rohstoff wiederverwertet. Asphalt beigemischt, dämpft Reifengummi zum Beispiel die Abrollgeräusche.

Was dann noch immer übrig ist, geht in die Runderneuerung oder wird weiter verwendet, etwa als Fender an Schiffen oder als Gewichte speziell für große, in der Landwirtschaft genutzte Planen.

So stellt sich die Frage: Warum gibt es die schwarzen Gummideponien überhaupt, da Altreifen als Rohstoff überaus gefragt sind?

Wer ist zuständig für Altreifen?

Eine Ursache liegt in den wechselnden Zuständigkeiten für Umweltfragen. Waren zunächst Landesbehörden zuständig, ging die Verantwortung nach und nach auf die Landkreise und kreisfreien Städte über.

Ganz ungünstig: Zwischenzeitlich war für die Kontrolle des Eingangs das Land zuständig, für die Ausgänge die kommunale Ebene.

Solche Wirrnisse machten illegale Geschäftsmodelle möglich: Altreifen anzunehmen, ohne sie wie vorgeschrieben zu recyceln. Im Jahr 2005 ging das Dessauer Altreifenlager pleite.

Firmenpleite des Altreifenlagers in Dessau

Es war damals etwa doppelt so groß wie heute. 2008 gingen 1.000 Tonnen der Altschlappen in Flammen auf. Zum Glück bekamen 75 Feuerwehrleute und Kräfte des Technischen Hilfswerks das Feuer in den Griff.

Einfach war das allerdings nicht: Reifenfeuer sind extrem schwer zu löschen. Als 1998 in Kalifornien sieben Millionen Altreifen Feuer fingen, verlosch das auf dem Areal erst nach zwei Jahren.

Die Umweltbehörde hatte entschieden, es nicht zu bekämpfen, um die Verseuchung des Grundwassers zu begrenzen.

Immerhin hat der Grundstückseigentümer das Dessauer Altreifenlager so aufgeräumt, dass im Ernstfall die Feuerwehr ordentliche Zufahrtswege findet. Aber der Reifenstapel hat sich nicht verringert.

Land soll Entsorgung bezahlen

Rüdiger Erben will deshalb das Land in die Pflicht nehmen: Es soll die Entsorgung bezahlen.

Keine gute Idee, findet die Dessau-Roßlauer Umweltamtschefin Gabriele Kegler: Das ginge überhaupt nicht.

Denn der Eigentümer wäre damit von all seinen Pflichten enthoben und bekäme dank Steuergeldern ein dann wieder vermarktbares Grundstück. (mz)