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«Ich heiße Samson Schnurre» «Ich heiße Samson Schnurre»: Sprachbegabter Exot aus Kuh-Köthen

Von Ute Hartling-Lieblang 06.12.2002, 18:21

Köthen/MZ. - Doch auf Befehl öffnet Samson, der dreieinhalbjährige Kongo-Graupapagei mit den roten Schwanzfedern, seinen Schnabel noch lange nicht. Da helfen auch Schmeicheleien nicht. Und so muss man etwas Zeit und Geduld mitbringen, wenn man der Einladung des Korbmachermeisters Alfred Schnurre in dessen Werkstatt am Holzmarkt folgt, wo Samson - auf einem Kletterbaum hockend - den Fremden neugierig beäugt, um sich wenig später wieder seinen Papprollen zuzuwenden.

"Manchmal wird es einem regelrecht zu viel, da hält er den Schnabel einfach nicht", sagt Schnurres Mitarbeiterin Monika Paul. Dann lobt sie in höchsten Tönen die Künste des exotischen Vogels, der ihr inzwischen ans Herz gewachsen ist. Auch dass Samson ein richtiger Spitzbube sein kann, verschweigt sie nicht. "Mein Werkzeug und die Flechtarbeit muss ich immer im Auge behalten." Die Gardinenstangen hat Alfred Schnurre vorsorglich mit Pappdeckeln abgedeckt, um sie vor dem scharfen Schnabel des Vogels zu schützen. Denn in der Werkstatt hat Samson viel Bewegungsfreiheit, während er in der Wohnung im oberen Stock eine geräumige Voliere bewohnt. "Vielleicht sagt er ja deshalb so gern "In die Werkstatt geh'n".

Einen "Dialog zwischen Mensch und Vogel in der Menschensprache" hat Alfred Schnurre der MZ versprochen und nicht übertrieben. Denn sobald er und seine Mitarbeiterin sich mit dem Gast in die äußere Zimmerecke zurückgezogen haben, beginnt Samson, mit einem kleinen "Leckerli" angefüttert, zu plappern. "Schaukel, schaukel, schaukel", spricht er im Rhythmus seiner Bewegungen auf dem Seil am Kletterbaum. Auch "Freddy Schnurre" oder "Monika Paul" bringt er sehr deutlich hervor. "Das schrillende Telefon kann er perfekt nachahmen", berichtet Schnurre. "Manchmal zum Verwechseln ähnlich", bestätigt auch Monika Paul. Lustig wird es, wenn er den "Papa" auffordert, "ins Bettchen zu geh'n" und dies bei Ungehorsam immer energischer fordert: "Ins Bett, ins Bett, ins Bett." Gerührt ist der Besitzer immer wieder, wenn Samson ihn mit den Worten empfängt: "Hurra, hurra, der Papa der ist da." - Manch einem hat es aber auch schon die Sprache verschlagen, wie Schnurre zu berichten weiß. Jener Kundin zum Beispiel, die eines Tages einen Auftrag vom Korbmacher abholen wollte und an dem Tier Gefallen fand. "Ach bist Du schön", habe sie dem Samson geschmeichelt, worauf der ihr "Du kleines Arschloch", zur Antwort gab. Was man einem Vogel natürlich gern verzeiht, wenn er noch dazu "Entschuldigung" sagt.

Man muss sich mit einem Papagei ständig beschäftigen, erklärt Alfred Schnurre. Etwa ein Jahr hat es gedauert, bis Samson die ersten Sprecherfolge zeigte. Erworben hat ihn der Köthener vom Züchter Jürgen Junge aus der Karlstraße. Samson ist ein handaufgezogener Papagei und deshalb auch an Menschen gewöhnt, was die Haltung sehr positiv beeinflusst. Alfred Schnurre hat seinen Graupapagei schon gekannt, als der noch ohne Federn neben seinen Geschwistern im Nest lag. Und weil er der lebhafteste der Vögel war, stand seine Wahl von Anfang an fest. "Die 002 musste es sein", so lautete nämlich Samsons Ringnummer.

Einen Faible für exotische Vögel habe er schon immer gehabt, sagt Schnurre. Zu DDR-Zeiten habe man sich einen solchen Wunsch allersings kaum erfüllen können. "Zu teuer", sagt Schnurre.

Mit etwa 36 Zentimetern Länge sind Graupapageien die größten ihrer Art in Afrika. Die Lebenserwartung eines Graupapageis liegt bei 60 Jahren und mehr. "Entweder muss man dem Papagei zuliebe sehr alt werden oder man muss sich überlegen, wen man als Erben ins Testament einsetzt", scherzt der Rentner.

Bis zum vierten oder fünften Lebensjahr, also während der Geschlechtsreife ist Samson noch in der Lage, neue Wörter zu lernen. Im Moment beherrscht er 140. Irgendwann wird er sich auf den Wortschatz eines dreijährigen Kindes einpegeln. "Was ich immer wieder feststelle, er setzt das Gelernte sinnhaft ein", unterstreicht der Besitzer. Und so kommt es vor, dass Samson seinen Besitzer beim Weggehen auffordert: "Papa kommt wieder! Versprochen?" Wer sich einen Papagei anschafft, rät Schnurre, sollte wissen, dass sich der Vogel eine enge Bezugsperson in der Familie sucht. Die anderen Mitglieder stehen bei ihm sozusagen hinten an, werden etwas stiefmütterlich behandelt. An das Futter stellen Graupapageien keine besonderen Ansprüche. Samson knabbert am liebsten Sonnenblumenkerne und Mais , lässt sich aber auch gern mit Früchten verwöhnen. Granatäpfel, Weintrauben, Kiwi oder Litschi bearbeitet er äußerst geschickt mit dem Schnabel, der ihm natürlich nicht in erster Linie zum Sprechen gewachsen ist.

Samson beherrscht auch die einfachsten Tischsitten. Ein Beispiel? Wenn Alfred Schnurre sich am Abend ein Gläschen gönnt oder Monika Paul bei der Arbeit einen Schluck aus der Wasserflasche nimmt, kommt aus den Papageienschnabel prompt ein "Prost".

Wenn der Graupapagei aus Kuh-Köthen aber besonders gut drauf ist, dann hat auch er - ähnlich wie wir Menschen - die eine oder andere Liedzeile - fast könnte man es so sagen - auf den Lippen. "Du bist verrückt mein Kind" oder "Kommt ein Vogel geflogen", pfeife Samson ganz besonders gern, erzählt Besitzer Alfred Schnurre voller Stolz.