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Hochklassig in den Hochhackigen

Von UTE VAN DER SANDEN 21.06.2010, 18:45

DESSAU/MZ. - "Egon" war der Höhepunkt des Soloabends mit Katrin Weber. Am Sonnabend beglückte sie ihre ebenso überschaubare wie begeisterungswillige Zuhörerschaft im Anhaltischen Theater. Die Show kam schwerfällig in Gang, was vor allem an den anfänglich schwächelnden Dialogtexten und Pointen lag. Aber dann! Die professionell vorgetragene Mischung aus Kabarett, Liederabend und Theater, die gut geführte Sopranstimme und fast ausnahmslos kluge Werkauswahl sorgten für hochklassige Unterhaltung. Ob Tanz, Persiflage oder Couplet, ob als Vamp oder Neandertaler: Katrin Webers One-Woman-Show bringt die Vielzahl ihrer Fähigkeiten zur Geltung. Allemal verzichtbar erschienen dagegen Streichersound und Perkussion aus der Konserve, paarte sich doch handgemachte musikalische Qualität, übrigens auch von Seiten des Pianisten, mit intelligenten Sticheleien gegen plattes Entertainment und Hochkulturfanatismus. Applaus!

Die Sächsin sieht aus wie Katarina Witt und spricht etwa auch so, nur mit ßehr ßtumpfem ß-Laut. Sie kann sich gut bewegen, besitzt ein glucksend helles Lachen und jede Menge Theatererfahrung. Und: Sie ist Komödiantin par excellence. Anekdoten von kleinen Katastrophen vor und hinter dem Vorhang würzen das Programm und sind Teil ironischer Selbstreflexion. Viel Wahrheit steckt in Sketchen wie dem von der Souffleuse, die meckert, anstatt zu helfen, in den vom Band eingespielten Hintergedanken - "Bin ich rasiert?" - und in desillusionierenden Ansagen: "Sie denken, das ist alles Ausdruck? - I wo!"

Außerdem liegt sie im Dauerclinch mit Rainer Vothel, dem sie den Flügel beschmiert und im nächsten Augenblick jegliches ästhetische Urteilsvermögen abspricht. Geerdet aber wird der Abend durch die Gesangsnummern. Marilyn Monroes "I wanne be love by you" gerät zur köstlichen Parodie, weil die Besteigung des Flügels gründlich misslingt. Georg Kreislers "Sie ist ein herrliches Weib" wird in jüdischer Altherrenkluft mit Wiener Slang gegeben - ein grandioser Auftritt mit viel Hintersinn. Zu "Stroganoff" von Friedrich Hollaender spielt sich die Weber in Vollrausch.

Titel wie "Geben Sie acht" von Georg Kreisler, Trude Herrs "Ich will keine Schokolade" und "Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehen" von Zarah Leander sind geschickt eingefädelt durch freche Interaktionen mit dem Publikum - vor allem mit "Johannes" aus der ersten Reihe, der großartig mitspielt. Und durch Situationskomik: Man sei hier nicht in der Provinz, doziert die Diva, bevor sie sich über den dreckigen Bühnenboden mokiert. Und überhaupt: "So 'n großes Haus kommt viel besser zur Geltung, wenn es leer ist!" Da hat Joachim Landgraf, der Verwaltungsdirektor des Anhaltischen Theaters, bestimmt genau zugehört.