Historische Straßenbahnen Historische Straßenbahnen: Drei Dekaden lang fuhren Gotha-Wagen durch Dessau

Dessau - 35 Jahre lang haben sie in Dessau einen wesentlichen Teil des Stadtverkehrs abgewickelt - die sogenannten Gotha- Wagen. Von der VEB Waggonbau Gotha zu DDR-Zeiten produziert, wurden die Straßenbahnfahrzeuge in den meisten Straßenbahn- betrieben des Landes eingesetzt.
Einige Exemplare tun bis heute noch ihren Dienst im Regelbetrieb: Zwischen Woltertsdorf und Schöneeiche östlich von Berlin, bei der von Bad Schandau ausgehenden Kirnitzschtalbahn in der Sächsischen Schweiz und bei der Naumburger Ringbahn.
In Dessau sind die Gotha-Wagen ein Teil der Stadtgeschichte. Sie waren ungefähr so (pflege-) freundlich und gutmütig-zuverlässig, wie sie aussehen: Solide hergestellt und im Fahrkomfort sowohl für die Fahrgäste (Platzverhältnisse, Laufruhe, Sitzverhältnisse) als auch für das Fahrpersonal rundherum akzeptabel.
Vor 60 Jahren kamen die ersten Gotha-Wagen an die Mulde
Mittlerweile ist es 60 Jahre her, dass die ersten Gotha-Wagen an die Mulde kamen, mit zwei Drei- Wagen-Zügen (zwei Trieb- und vier Beiwagen, zweiachsig in Zweirichtungsausführung) für damalige DDR-Verhältnisse schon eine recht große Serie.
1960 kam ein weiterer Triebwagen dazu. Ab 1964 wurden dann Einrichtungsfahrzeuge aus Gotha geliefert. Das Jahr 1978 steht für Tauschaktionen mit anderen Verkehrsbetrieben (Zwei- gegen Einrichter), aber es wurden auch zusätzliche Gotha-Wagen gebraucht übernommen. Darunter war auch ein Triebwagen der Gotha-Nachbauserie von CKD Tatra in Prag, der 1986 aus Halle kam und mit einem normalspurigen Schweriner Fahrgestell versehen wurde.
Den größten Bestand an diesen Fahrzeugen hatte man schließlich 1989 mit 20 Trieb- und 33 Beiwagen. Durch den Einsatz gebrauchter Gelenkwagen aus Duisburg ab 1992 sank der Stern der Gothaer Fahrzeuge sehr rasch. Nach 1994 waren sie nicht mehr im Liniendienst anzutreffen.
Produktion der Straßenbahnen ab 1954 in Gotha
Ebenfalls in Dessau eingesetzt waren einige Fahrzeuge der als LOWA–Wagen bezeichneten „Voraus-Bauart“, aber auch auf alten Fahrgestellen vom Reichsbahnausbesserungswerk in Berlin- Schöneweide „gotha-ähnlich“ aufgebauten Reko- Wagen. Technikgeschichtlich gehören Gotha-, LOWA- und Reko-Wagen zu den DDR-Einheits-Straßenbahnwagen. Während es im Eisenbahnwesen bereits ab den 1920er Jahren Bestrebungen gab, die bis dahin vorherrschende ungeheure Typenvielfalt durch wenige Lokomotiven und Personenwagen in Einheitsbauart abzulösen, setzten sich solche Gedanken im Straßenbahnbau erst kurz vor dem Beginn des Zweiten Weltkriegs durch.
Sicher auch mit dem Blick auf (Nord-)Amerika, wo mit den seit 1934 auf dem halben Kontinent eingesetzten PCC- Wagen sehr gute Erfahrungen gemacht wurden. Dieses Modell gelangte seit 1967 auch in Form der tschechischen Tatra-Wagen in die DDR, die durch eine Lizenz auf dieser Bauart basieren.
Von der ersten deutschen Einheits-Entwicklung konnten nur 30 Beiwagen nach Berlin und Hannover ausgeliefert werden. Den Status einer Einheitsbauart hatten aber auch die sogenannten Kriegsstraßenbahnwagen (KSW), die ab 1942 hergestellt wurden und durch Kriegshandlungen verloren gegangene Fahrzeuge ersetzen sollten. Sie lehnten sich an bisher produzierte Modellen an und gelangten nicht nach Dessau. 1954 wurde die Straßenbahnproduktion dann nach Gotha verlagert.
Nach einem RGW-Beschluss endete die Gothaer Straßenbahnproduktion im Jahre 1967
Die dortigen Waggonbauer hatten den Bonus, Neu- und Weiterentwicklungen immer gleich „vor der Haustür“ ausprobieren zu können: Auf dem kleinen Netz der örtlichen Straßenbahn waren Fahrzeuge für den Stadtverkehr gefragt und die Thüringerwaldbahn zwischen Tabarz und Gotha ist eine Überlandstraßenbahn mit einer kurzen Stichbahn nach Waltershausen. Der LOWA- Typ wurde zunächst weiter produziert, bis 1957 der zweiachsige sogenannte Gotha-Wagen vorgestellt werden konnte.
Während die LOWA- Wagen äußerlich eine schlichte winklige Form aufweisen, schauen die Gothaer und Reko- Fahrzeuge freundlicher und rundlicher aus. Einige LOWA- Beiwagen wurden auch nach Polen geliefert, zweiachsige Gothaer Trieb- und Beiwagen jedoch in sehr großem Umfang in die Sowjetunion – in etwa doppelt so hohen Produktionszahlen, wie Fahrzeuge im Inland verblieben.
Die Gothaer gehören sicherlich weltweit zu den am längsten gebauten Zweiachsern. Entsprechend war die Konstruktion aber modern und ausgereift, außerdem wurde sie in kurzen Abständen überarbeitet. Nach einem RGW-Beschluss (Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe) endete die Gothaer Straßenbahnproduktion im Jahre 1967. In Dessau-Roßlau sind heute leider keine Fahrzeuge der Bauarten Gotha, LOWA und Reko mehr vorhanden. (mz)
