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Prozess am Landgericht Dessau Hat ein Mann aus Zerbst seine Mieter rassistisch beleidigt?

Die Beweisaufnahme gestaltete sich als schwierig.

Von Thomas Steinberg 19.07.2021, 15:51
Justitia steht unter freiem Himmel (Symbolbild)
Justitia steht unter freiem Himmel (Symbolbild) (Foto: dpa)

Dessau/Zerbst/MZ - Am Anfang, vor sechs bis acht Jahren, war alles ganz entspannt. Da kam der neue Mieter manchmal in die Werkstatt des Vermieters und man quatschte dort. Und auch die Partnerin des Mieters sagte: „Am Anfang war er nett.“

Als sie das schildert, schaut sie ihren Vermieter, einen älteren Herren aus Zerbst, nicht an. Der sitzt auf der Anklagebank im Landgericht Dessau, weil er die beiden, vor Jahrzehnten zugewandert, rassistisch beleidigt haben soll. „Er sagt immer scheiß Ausländer und verpisst euch.“ Das Verhältnis zwischen beiden Seiten zerrüttet zu nennen, dürfte untertrieben sein.

Der Angeklagte Vermieter bestreitet die Vorwürfe gegen ihn

Der Angeklagte, vom Amtsgericht Zerbst verurteilt, bestreitet in der Berufungsverhandlung alle Vorwürfe. Er sei, sagt er, selbst Flüchtlingskind, habe Mitleid gehabt mit „den armen Menschen“.

Im Laufe der Zeit aber kam es wohl zu Auseinandersetzungen. Dem Vermieter waren die Mieter zu unordentlich. Der Keller sei völlig vermüllt gewesen, vor der Wohnungstür - das Paar hat vier Kinder - hätten jede Menge Schuhe gelegen. Die Wohnung hat 67 Quadratmeter, für sechs Personen reichlich wenig.

Der Vermieter regte sich auf. Und begann, die aus seiner Sicht unhaltbaren Zustände zu fotografieren. Und ja, er habe auch gesagt, wenn es ihnen nicht passe, sollten sie dorthin gehen, woher sie kämen. Aber die beiden rassistisch beleidigt? Nein. Und keinesfalls habe er die Mieter oder ihre Kinder fotografiert.

Die Angaben der Kläger zu den Vorwürfen blieben ungenau

Das Gericht hat ein Problem. Angeklagt sind Vorfälle an einem bestimmten Tag. Die Mieter hatten die Polizei gerufen, es gab eine Anzeige, die Sache lief bei Staatsanwaltschaft und Gericht auf. Doch die beiden Mieter können sich an Details nicht erinnern. Sie bleiben vage in ihren Aussagen, oft heißt es, der Angeklagte habe dies oder jenes „immer“ getan oder gesagt. Leicht entnervt erklärt der Staatsanwalt, es gehe nicht um „immer“, nicht um vor jenem Tag oder nach jenem Tag, sondern nur um diesen Tag. Es half aber nichts, die Angaben blieben ungenau, teils widersprüchlich. Verurteilen kann man auf einer solchen Basis schwerlich jemanden. Doch die Richterin ist überzeugt: „So völlig sachlich schienen die Diskussionen nicht gelaufen zu sein.“ Irgendwas war.

Es gibt kein Urteil, keinen Schuldspruch, keinen Eintrag ins Strafregister

Und bei einem „irgendwas war“ wird gern zum Mittel der „vorläufigen Einstellung“ gegriffen. Darauf müssen sich Staatsanwaltschaft und der Angeklagte beziehungsweise dessen Verteidigung einigen. So auch in diesem Fall: Der Angeklagte zahlt Geld an die Staatskasse, dann wird das Verfahren endgültig eingestellt. Es gibt kein Urteil, keinen Schuldspruch, keinen Eintrag ins Strafregister. Der Zerbster Vermieter müsste 500 Euro begleichen. Nach langem Zögern ließ es sich auf diesen Vorschlag ein.