Erstaunlich viele Parallelen Hat die ARD einen „Tatort“ über den Dessauer Mordfall „Yangjie Li“ gedreht?
In der ARD ist am Sonntag ein TV-Krimi gezeigt worden, der erstaunliche Parallelen zum Dessauer Mordfall hat. Beim Sender spricht man von reiner „Fiktion“.
Dessau/Berlin/MZ - Der Tatort am Sonntag dürfte bei so manchem Zuschauer Erinnerungen an einen Dessauer Kriminalfall geweckt haben: Der Film „Die Kalten und die Toten“ wies erstaunlich viele Parallelen zum Mord an der damals 25-jährigen chinesischen Studentin Yangjie Li auf.
Im Mittelpunkt des Filmes steht das junge Paar Dennis und Julia, das auf der Suche nach einem sexuellen Abenteuer ist. Über eine Dating-App locken sie die Medizinstudentin Sophia zu sich. Der Abend endet - wie auch 2016 - tödlich für die Studentin, in beiden Fällen wurde die Leiche nahe der Wohnung des Mannes gefunden.
Es gibt viele Parallelen - aber auch Unterschiede zum realen Kriminalfall
Überraschend meldet sich das Paar danach freiwillig bei der Polizei und spricht von einem Treffen mit einvernehmlichen Sex mit der Studentin, das diese aber lebend verlassen habe. 2016 hatte der reale Täter ähnliche Aussagen bei der Polizei zu Protokoll gegeben.
Und dann ist da noch die Sache mit den Vorstrafen von TV-Mörder Dennis, die er seit seinem 14. Lebensjahr angehäuft hat und die Rolle seiner Mutter - die Polizistin ist. Während in der Realität die Eltern des Tatverdächtigen die Eröffnung einer Gartenkneipe feierten, geht es im Film um das Jubiläum einer Tauchschule - zu einem Zeitpunkt, als der Sohn schon längst im Fokus der Ermittler steht.
Doch es gibt auch ganz klare Unterschiede zwischen TV-Krimi und Realität. Was ist nach der Tat passiert? Wer wusste wann davon? Und welche Rolle spielten die Eltern - nicht nur des Täters, sondern auch seiner Partnerin und des Opfers? An diesem Punkt versucht der Film weniger ein Rätsel aus der Tat an sich zu machen. Vielmehr versucht er, sein eigenes Psychogramm der Beteiligten zu zeichnen. Wie gehen Eltern mit solch einer Situation um? Von Leugnen, über Helfen, bis Einsicht wird hier ein vielfältiges Bild gezeichnet.
Beim zuständigen Sender RBB sagt: „Alles nur Fiktion“
Auch bei der Dessauer Polizei dürfte man am Sonntag interessiert den Krimi geschaut haben: Wie er ankam, ließ man beim Revier in Dessau-Roßlau auf MZ-Nachfrage aber offen. Man wolle sich nicht dazu äußern.
Beim federführenden Sender - dem Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) - will man im Film keine Nacherzählung des Dessauer Mordfalls sehen: „Der Tatort ist ein rein fiktionales Format und dokumentiert keine realen Kriminalfälle“, erklärt RBB-Pressesprecherin Ulrike Herr gegenüber der MZ. So müssen alle Autorinnen und Autoren „dafür Sorge tragen, dass eine Verfremdung der realen Geschichte entsteht“, sollte ein reales Verbrechen Ausgangspunkt sein. Man sehe deshalb vor allem die Themen „Online-Dating, Kontrollverlust, Empathielosigkeit und das Psychogramm der Familie des Täters im Fokus“.
Über 9 Millionen Zuschauer haben den Tatort am Sonntag gesehen
9,01 Millionen TV-Zuschauer haben den Tatort rund um die Berliner Ermittler Nina Rubin (Meret Becker) und Robert Karow (Mark Waschke) am Sonntag gesehen. Der Krimi war damit die erfolgreichste Sendung des Tages überhaupt und erreichte 27,2 Prozent der Zuschauer.
„Die Kalten und die Toten“ ist dabei längst nicht der erste Tatort, der Parallelen zu einem Dessauer Kriminalfall zieht: Unter dem Titel „Verbrannt“ hatte der Norddeutsche Rundfunk (NDR) 2015 eine Folge gedreht, die stark an den Feuertod des Asylbewerbers Oury Jalloh erinnert. Dieser war 2005 aus weiterhin ungeklärten Umständen in einer Gewahrsamszelle der Dessauer Polizei verbrannt.
Der aktuelle Tatort „Die Kalten und die Toten“ ist noch bis Mai 2022 in der ARD Mediathek zu finden.