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"Harter Schlag" "Harter Schlag": Für Gastronomen in Dessau-Roßlau kommt zweiter Lockdown zur Unzeit

Von Daniel Salpius 11.11.2020, 15:09
Im Restaurant „Sportlerklause Kunze“ bereiten Daniel Pilasik, Siegbert Kunze und seine Frau Gudrun die Essen für den Außerhausverkauf vor.
Im Restaurant „Sportlerklause Kunze“ bereiten Daniel Pilasik, Siegbert Kunze und seine Frau Gudrun die Essen für den Außerhausverkauf vor. Thomas Ruttke

Dessau-Roßlau - Nach dem strikten Lockdown im Frühjahr haben die erneuten Einschränkungen des öffentlichen Lebens wieder insbesondere Restaurants getroffen. Seit 2. November dürfen sie keine Gäste mehr bewirten.

Wie hoch die Ansteckungsgefahr in diesem Sektor tatsächlich ist, kommt sicherlich auf den Einzelfall an. Größere Corona-Ausbrüche in Gaststätten sind jedenfalls nicht publik geworden. Und laut Ordnungsamt der Stadt sind in der Branche insgesamt wenige Verstöße gegen die Corona-Regeln festgestellt worden. Entsprechend herrscht auch unter den Dessau-Roßlauer Gastronomen großes Unverständnis über die Beschränkungen.

„Das ist für uns ein harter Schlag ins Gesicht“, formuliert etwa Siegbert Kunze, der mit seiner Frau seit 45 Jahren die Sportlerklause Kunze im Süden Dessaus führt.

Kalt bleibt der Herd in der Sportlerklause in diesen Tagen trotz allem ja nicht

„Wir haben Bedingungen geschaffen, um Ansteckungen zu verhindern, haben extra in zusätzliche Hygienemaßnahmen investiert und müssen nun trotzdem zu machen“, bringt er jenes Argument auf den Punkt, das im Gespräch mit Gastronomen in der Stadt immer wieder so ähnlich geäußert wird. Dessen ungeachtet seien zusätzliche Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus’ aber richtig und notwendig, fügt Kunze dennoch hinzu.

Und kalt bleibt der Herd in der Sportlerklause in diesen Tagen trotz allem ja nicht. „Wir haben einen Außer-Haus-Verkauf zur Abholung eingerichtet“, berichtet der Gastwirt. Aktuell werde das überraschend gut angenommen, man könne also nicht meckern nach den ersten Tagen.

Was Corona allerdings schon jetzt zunichte gemacht hat, sei ein Teil des Weihnachtsgeschäfts. „Große betriebliche Weihnachtsfeiern bei uns sind abgesagt worden.“ Kunze hofft nun, dass er wenigstens über die Weihnachtsfeiertage öffnen kann. „Für die Festtage sind wir nämlich schon ausgebucht.“

Pessimistischer schaut Görcan Gönen vom Steakhaus Etmangal auf die kommenden Monate

Pessimistischer schaut Görcan Gönen auf die kommenden Monate. Er macht sein türkisches Steakhaus Etmangal in der Zerbster Straße gleich bis Januar ganz zu. „Ich befürchte, dass es im Dezember weitergeht mit dem Lockdown“, begründet er. Ein weiterer Grund für die Schließung seien geplante Fassadenarbeiten.

Auch Gönen hat nichts gegen weitergehendere Corona-Maßnahmen einzuwenden. „Das ist nachvollziehbar. Ich bin auch kein Corona-Leugner“, unterstreicht er. Aus seiner Sicht stimmen aber die Relationen nicht. „In Kaufhäusern tummeln sich die Leute und die Restaurants müssen dicht machen. Da wird mit zweierlei Maß gemessen“, findet der Gastronom. Man könne nicht zuschauen, wie eine ganze Branche den Bach runter gehe.

Wie viele Kollegen hofft auch Gönen auf die vom Bund versprochenen Hilfszahlungen in Höhe von 75 Prozent des Umsatzes aus dem Vorjahresmonat. Die genauen Voraussetzungen seien aber momentan noch nicht klar, berichtet er. Den ersten Lockdown hat das Etmangal Gönen zufolge gut verschmerzt. Es sei schwierig gewesen, doch danach sei es relativ normal weitergegangen. „Wir kommen auch diesmal irgendwie durch“, glaubt der Unternehmer.

Das Dessauer Start-up „iGastro“ musste mit seinem Lieferdienst aufgeben

Viele Gaststätten in Dessau-Roßlau versuchen derweil zusätzlich, sich mit einem Lieferservice über Wasser zu halten. So auch das Bella Italia in der Kavalierstraße. Allerdings sei das Liefergeschäft bei ihm nicht so gut angelaufen wie während des ersten Lockdowns, erklärt Inhaber Abu Naser Md Salla Uddin, der hofft, dass die strengen Maßnahmen noch gerichtlich gekippt werden. Zupass kommt dem Gastronom trotz allem, dass er bereits vor Corona einen eigenen Lieferservice betrieb.

Das ist jedoch längst nicht allen Restaurants möglich. Noch im Frühjahr konnte das Dessauer Start-up „iGastro“ hier für einige Betriebe Abhilfe schaffen und die Lieferungen übernehmen. Geschäftsführer Maximilian Handke hatte den Lieferdienst binnen kurzer Zeit aus dem Boden gestampft.

In der Spitze fuhr sein Team bis zu 50 Essen am Tag aus. Im September musste Handke den Service allerdings aufgeben. „Grund sind ausgerechnet Nachzahlungsforderungen des Finanzamtes“, ärgert er sich. „Ich hatte gehofft, wir bekommen einen verminderten Steuersatz, doch wir müssen den regulären bezahlen.“ Damit, so Handke, sei das Modell nicht mehr wirtschaftlich.

Ob von Restaurants eine erhöhte Infektionsgefahr ausgeht, ist nicht sicher. Nur eine einzige, US-amerikanische Studie will Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen Restaurantbesuchen und erhöhtem Infektionsrisiko entdeckt haben. Nach einer Studie des RKI haben sich von rund 200.000 Infizierten dagegen nur 300 in Gaststätten angesteckt. Allerdings lässt sich der genaue Infektionsort auch oft nicht ermitteln.

Die Corona-Regeln wurden von den 232 Dessau-Roßlauer Gastronomiebetrieben jedenfalls überwiegend eingehalten. Das Ordnungsamt verzeichnete insgesamt wenige Verstöße. Wenn doch, habe es sich meist um Nichteinhaltung der Tischabstände und Verstöße der Gäste gegen die Maskenpflicht gehandelt. Pro Woche kontrolliert das Ordnungsamt laut Auskunft der Stadt circa 17 Restaurants.

Fast alle 30 Mitarbeiter des Teehäuschens seien im November in Kurzarbeit

Zu den Hauptkunden von iGastro gehörte das Teehäuschen. Verzichten will Geschäftsführer Vasileios Bouloumpasis auf Lieferungen aber nicht und spannt dafür nun seine Kellner und Kellnerinnen ein. Er hofft, sie damit Stück für Stück zurückholen zu können. Fast alle 30 Mitarbeiter seien im November in Kurzarbeit.

Doch momentan laufe das Liefergeschäft noch schleppend, so Bouloumpasis. Und auch bei den Abholungen sehe es nicht anders aus. In die Zukunft blick er dennoch positiv. Er glaube, dass das Teehäuschen im Dezember wieder öffnen dürfe und das Weihnachtsgeschäft Belebung bringe. „Es ist eine schwere Zeit, doch wir dürfen den Kopf nicht in den Sand stecken.“ (mz)

Auch in der Jägerklause muss man aus der Not eine Tugend machen.
Auch in der Jägerklause muss man aus der Not eine Tugend machen.
Thomas Ruttke