Besondere Ehre Goldschmied aus Dessau: Lieferant seiner Hoheit von Anhalt

Dessau/Ballenstedt - Er nennt sich „Lieferant seiner Hoheit des Herzogs von Anhalt“. In dieser Eigenschaft wurde ihm ein Kreuz übergeben. Der Kettenanhänger aus Olivenholz samt filigraner silberner Einfassung war nicht irgendein beliebiges Schmuckstück. Dieses Kreuz diente als Grabbeigabe der Dorothea von Pfalz-Simmern (1581-1631), der zweiten Ehefrau des Fürsten Georg I. von Anhalt-Dessau (1567-1618).
Vor einem Jahr wurde es an ihrem Leichnam gefunden, nachdem die Särge mehrerer Mitglieder des Hauses Anhalt im Dezember 2014 auf dem Historischen Friedhof Dessau geborgen worden waren und später im Bestattungshaus Friede wieder zusammengefügt wurde, was Vandalen in Jahrzehnten zerstört hatten. Das kleine Kreuz fand sich im Brustkorb der Adligen, die seit März 2015 in der Gruft der Dessauer Marienkirche beigesetzt ist.
Eine ganz besondere Ehrung
Goldschmied Thomas Schilling tat damals, worum er diskret gebeten worden war. Das etwa 400 Jahre alte Kreuz wurde von ihm gereinigt und um die Perlen, die einst im Holz eingelassen waren, ergänzt. 13 Monate später, konkret am vergangenen Sonnabend, steht der Dessauer „Lieferant seiner Hoheit“ in der Ballenstedter Schlosskapelle und ist Zeuge einer Zeremonie, die ihn noch Tage später beeindruckt. Dort hebt Eduard von Anhalt ein Schwert, dessen Klinge er insgesamt sechs vor ihm knienden Personen auf die Schulter legt und sie zum Ritter schlägt. Schilling wiederum wird diese Zeremonie nicht zuteil. Er bekommt stattdessen eine Verdienstmedaille des Hausordens samt Urkunde. Eduard von Anhalt sagt auf seine Weise Danke.
Eduard von Anhalt hat vergangenen Sonnabend eine Tradition wiederbelebt, von der man meinte, sie gehöre der tiefsten Vergangenheit an. Der heute 74-jährige letzte männliche Nachfahre des Hauses Anhalt erklärte: „Ich fühle mich verpflichtet, im Sinne meiner Vorfahren etwas zu tun.“ Von Anhalt schlug Wegbegleiter zu Rittern und Damen. Die Zeremonie nennt sich Investitur. Sie wurde vor rund 100 Jahren in Anhalt das letzte Mal vollzogen. Der Ritterorden, so heißt es, ist inzwischen wieder 22 Köpfe stark.
Ein Ritter der Kultur
Kritiker meinen, der Adel schare einen Hofstaat um sich. Von Anhalt und im übrigen auch der Dessauer Goldschmied widersprechen vehement. „Wir wollen, dass Sachsen-Anhalt durch den Namen Anhalt wieder an Profil gewinnt. Mit dem Ritterschlag verpflichte ich Personen, die sich um das Land verdient gemacht haben, sich weiter für Kultur und Geschichte unseres Landes einzusetzen“, sagt von Anhalt. Das erste gemeinsame Projekt ist längst ausgemacht. So soll im Schlosshof von Ballenstedt dem Urvater des Hauses, Albrecht dem Bären, ein lebensgroßes Denkmal gesetzt werden. „Dort“, so sagt Eduard von Anhalt, „gehört es auch hin.“
Thomas Schilling wiederum ist ein Mensch, der mithelfen will, Geschichte zu bewahren und sieht sich dabei nicht in vorderster Linie. „Es kann nicht nur Piloten geben, sondern auch Mechaniker“, bestimmt er seinen Platz. Was eint, ist die anhaltische wie die jeweilige Familiengeschichte.
Der Herzoglich Anhaltische Hausorden Albrechts des Bären wurde am 18. November 1836, dem Todestag Albrechts des Bären (1100 bis 1170), durch die drei Herzöge Heinrich von Anhalt-Köthen, Leopold IV. Friedrich von Anhalt-Dessau und Alexander Carl von Anhalt-Bernburg als gemeinsamer Hausorden gestiftet. Dem Orden gehörten alle europäischen Könige an, erklärte Eduard von Anhalt. Ritter waren unter anderem auch Kaiser Wilhelm II und Reichskanzler Otto von Bismarck. 1919 soll die letzte Zeremonie stattgefunden haben. Das Ritual blieb nur den Erzählungen nach überliefert. Denn alle wichtigen Unterlagen des Bären-Ordens lagerten im Schloss Zerbst, das im Zweiten Weltkrieg zerstört worden ist.
Seit vergangenen Sonnabend lebt die Tradition weiter: Den Ritterschlag erhielten der Potsdamer Universitätsprofessor Lutz Partenheimer, der eine Biografie über Albrecht den Bären geschrieben hat. Ritter beziehungsweise Dame sind Alessandra Kechler von und zu Schwandorf sowie deren Ehemann Alessandro Kechler, Freiherr von und zu Schwandorf, Irina von Bismarck, Ehefrau des Urgroßneffen des Reichskanzlers, Gerd Scharfenberg, der ein Lexikon zur Ordenskunde verfasst hat, erhielt ebenfalls einen Ritterschlag wie auch Prof. Paolo Vandelli Bulgarelli di Marsciano.
Neben dem Dessauer Goldschmiedemeister Thomas Schilling erhielten Karl-Friedrich Kaufmann, Heinz George, Eberhard Nier und die Vorsitzende des Kügelgen-Vereins, Christiane Pels, eine Verdienstmedaille des Hausordens.
Immer am selben Ort gearbeitet
Schilling feierte kürzlich seinen 65. Geburtstag. Nur selten kann jemand von sich behaupten, von Jugend bis ins Alter immer an gleicher Stelle gearbeitet zu haben. Schilling kann das und ist stolz darauf.
Sein Vater Heinrich arbeitete ab 1925 bei dem einstigen Hoflieferanten, dem Dessauer Goldschmiedemeister Emil Weiss. 1933 gründete Schilling senior sein eigenes Geschäft in der damaligen Leopoldstraße (heute Ferdinand-von Schill-Straße). „Die geschäftlichen Beziehungen zum Herzog hat es schon damals gegeben“, weiß der Goldschmied aus den Erzählungen seiner Vorfahren und bekennt: Es macht ihm „Spaß, etwas vom Mantel der Geschichte zu spüren“.
Ein Treffen unter Adelsleuten
Spätestens beim Kennenlernen mit dem aus dem Bayrischen Fernsehen bekannten Kunsthistoriker Carl Ludwig Fuchs (er und Eduard von Anhalt haben gemeinsame Vorfahren) wird die freundschaftliche Beziehung in nächster Generation wiederbelebt. Manchmal trifft man sich zum gemeinsamen Essen. Geht es um alten Familienschmuck, so wird das Goldschmiedegeschäft in der Dessauer Kavalierstraße 77 zu einem Anlaufpunkt. Momentan ist der Goldschmied dabei, eine Siegelkapsel zu entwerfen, die künftige Urkunden des Hauses Anhalt schmücken soll.
Im nächsten Jahr ist wieder eine Investitur geplant, von der kürzlichen schwärmt Schilling, sie war „stimmungsvoll, elegant, traditionell und bewegend“. Nur will 2017 Eduard von Anhalt nicht mehr ganz im Mittelpunkt stehen.
Die Jugend will ihre eigene Handschrift hinterlassen
Am 1. Mai wird Eduard von Anhalt sein Amt als Chef des herzoglich anhaltischen Hausordens Albrechts des Bären an seine Tochter Julia Katharina abgeben, Chef des Hauses Anhalt-Askanien wird er vorerst bleiben. Die 35-Jährige ist dann die erste Frau an der Spitze des Hausordens. „Nur wird es ein anderer Orden werden“, ahnt von Anhalt. Die Jugend will ihre eigene Handschrift hinterlassen. Wie die aussieht, ist indes noch nicht klar. „Ich will meiner Tochter Zeit geben, darüber nachzudenken“, sagt Eduard von Anhalt. (mz)
