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Geheimnisse der Wolfener Siedlung Geheimnisse der Wolfener Siedlung in Dessau: Nach 80 Jahren gibt es noch viel Originales

Von Heidi Thiemann 02.07.2019, 13:11
Zum Straßenfest im Ginsterweg gab es am Sonnabend auch eine Führung mit Joachim Weisflog (l.). Er hat zur Baugeschichte geforscht.
Zum Straßenfest im Ginsterweg gab es am Sonnabend auch eine Führung mit Joachim Weisflog (l.). Er hat zur Baugeschichte geforscht. Thomas Ruttke

Dessau - Autofrei. So wie beim Straßenfest am Sonnabend muss das Bild auch vor 80  Jahren und lange Zeit danach gewesen sein. 1939 wurden im Ginsterweg, der zur Wolfener Siedlung gehört, die ersten Wohnungen bezogen. „Wir haben auf der Straße Federball gespielt“, kann sich Annelie Schikatzki gut erinnern, die schon immer - seit 70 Jahren - hier wohnt. Ihre Eltern hatten 1949 im Ginsterweg eine Wohnung bekommen.

„Die IG Farben hatte in Bitterfeld und Wolfen sowie in Dessau für ihr mittleres Leitungspersonal Häuser gebaut“, erzählt Joachim Weisflog beim Nachbarschaftsfest aus Anlass des Siedlungsjubiläums, wie es zum Bau in Haideburg kam. Er hat zur Geschichte geforscht und nimmt Interessenten mit auf einen Spaziergang entlang der 39 Häuser des Straßenzuges.

Es ist ein Eintauchen in die Geschichte. Sowohl dem Bauhausjubiläum ist die Führung gewidmet, als auch der Siedlung selbst. Dafür hat ein jeder Bewohner im Vorgarten eine Tafel gestaltet - mit historischen Außenaufnahmen des Hauses oder von Details im Inneren. Auch Funde vom Dachboden oder aus dem Garten sind dabei.

Der besondere Übergang von der Stadt zu den Waldflächen inspirierte Archtitekt und Gartengestalter

„Jeder zeigt das, was ihm wichtig ist“, sagt Kirsten Lott, die 2014 mit ihrer Familie in den Ginsterweg gezogen ist. „Das schöne helle Treppenhaus hatte es uns angetan“, kann sie sich noch gut an den ersten Eindruck erinnern.

Den Architekten Bruno Paul und den Gartengestalter Hans Schmidt inspirierte diese besondere Lage am Übergang von der Stadt zu den Waldflächen in der Törtenschen Schweiz, weiß Lott. Die Straße ist nicht schnurgerade, sondern hat einen Knick. „Was an der hinter den Häusern gelegenen Kiesgrube lag“, erklärt Weisflog. Viele für die Häuser typischen Merkmale sind bis heute erhalten: Von außen ist das gut an den weiß-grünen Fensterläden zu sehen sowie dem Fischgratmuster der Hauseingangstüren. Die Laternen am Eingang, so Weißflog, sind in der Lehrlingswerkstatt der IG Farben entstanden.

Im Inneren ist nicht nur die Treppe markant, sondern sind es vor allem die Warmluftöfen, die über eine Feuerstelle sämtliche Räume beheizten. Bis heute erhalten sind auch Terrazzoböden sowie vielfach die Bodentreppe „Monarch“, die in vielen Häusern noch funktioniert.

Die parkähnliche Gestaltung ist typisch für den Ginsterweg

Zum Teil, so ist auf den Bildern zu sehen, existiert auch die Durchreiche noch, die Architekt Bruno Paul von der Küche zum Wohnzimmer geplant hatte. Und immer wieder sind auch Bilder von Türen des Luftschutzkellers der Häuser und der darin eingelassenen Sichtlöcher zu sehen. Doch auch Hausbücher, eine im Garten gefundene Patronenhülse und Bierflaschen, oder alte Wäscheklammern vom Dachboden, oder Bilder von Obstbäumen erzählen die Geschichte des Straßenzuges, der auch einen Wildschweinbrunnen hat.

Aber nicht, wie vielfach angenommen, der Keramikerin Kieser-Maruhn ist diese Plastik zuzuordnen, klärt der 84-jährige Siegfried Schmidt auf, sondern Otto Douglas Hill.

Auch die parkähnliche Gestaltung ist typisch für den Ginsterweg. Aber viele der einst 35 prägenden Schwarzkiefern hat Orkan „Kyrill“ auf dem Gewissen. (mz)

Das lichtdurchflutete helle Treppenhaus hatte es Kirsten Lott besonders angetan, als sie 2014 in den Ginsterweg gezogen war.
Das lichtdurchflutete helle Treppenhaus hatte es Kirsten Lott besonders angetan, als sie 2014 in den Ginsterweg gezogen war.
 Thomas Ruttke
Der historische Türdrücker wurde von Lehrlingen der IG Farben hergestellt.
Der historische Türdrücker wurde von Lehrlingen der IG Farben hergestellt.
Thomas Ruttke
Alexander Sühlo zeigt die Luftschutztür im Keller.
Alexander Sühlo zeigt die Luftschutztür im Keller.
Thomas Ruttke