Gastronomie in Roßlau Gastronomie in Roßlau: Kapitel Elbschlösschen ist zu Ende

Rosslau/MZ - Am Freitag ging ein Kapitel Roßlauer Gastronomiegeschichte (vorläufig?) zu Ende. Zum letzten Mal hat Kerstin Fräßdorf ihre Gäste begrüßt, zum letzten Mal Cocktails gemixt, zum letzten Mal hinter ihrem letzten Gast die Tür zugeschlossen. Das Elbschlösschen in der Roßlauer Südstraße ist nun geschlossen. Aus. Vorbei.
Fräßdorf muss schlucken. Acht Jahre lang war die 49-Jährige Geschäftsführerin im Elbschlösschen, in dem einst viele Generationen von Roßlauern, Dessauern und anderen eingekehrt waren. „Ich habe hier ein Bild von 1829“, zeigt sie auf eine historische Aufnahme, „das alles hier kann aber auch viel älter sein.“
Für Fräßdorf aber haben vor allem die vergangenen acht Jahre gezählt. „Ich habe mich hier wohlgefühlt. Bin von einem tollen Team unterstützt worden und hatte auch tolle Gäste“, erzählt sie, während sie die letzten Gläser spült und aufräumt in der Südstraße 13.
Das Elbschlösschen Roßlau ist das einzig erhaltene Kornschipperhaus in Roßlau. Bis ins 19. Jahrhundert zurück reicht die gastronomische Tradition der einstigen Ausflugsgaststätte. Im Saal mit Bühne fanden einst viele Bälle von Gesangsvereinen oder dem Kaninchenzüchterverein statt. Gern genutzt wurde einst die Terrasse von Ausflüglern wie etwa Arbeitern der Junkerswerke, die aus Dessau nach Roßlau mit der Straßenbahn kamen. Anfang des 20. Jahrhunderts lockte der Wirt des Elbschlösschens die Besucher mit Kaffee-Konzerten bei freiem Eintritt mit anschließendem Tanz.
Zu DDR-Zeiten war das Elbschlösschen durch den Auftritt vieler Bands vor allem Treffpunkt für Jugendliche aus Roßlau, Dessau und Umgebung.
Anfang der 1990er Jahre übernahm ein neuer Eigentümer das Elbschlösschen und modernisierte es. Im ehemaligen Saal war ein Billard-Café eingerichtet. Im Saal spielten auch verschiedene Bands.
Gelernte Chemiefacharbeiterin ist die Roßlauerin. Mit der Gastronomie aber hatte sie schon als Jugendliche geliebäugelt. „Mein erstes Bier habe ich auf dem Streetzer Sportplatz verkauft“, schmunzelt sie. Auch in der BBS - im Speiseraum der Lehrlinge, wo immer Disco war - hatte sie mit bedient. Und aus dem Spaß, dem Hobby, wurde ab 1991 ein Beruf. Im Crazy-Horse-Saloon, zwischendurch im Elbschlösschen, danach im Bowling-Park Roßlau und im Restaurant Milano Zerbst hatte sie gearbeitet, bevor sich 2006 die Chance bot, im Elbschlösschen das Zepter zu übernehmen. „Ich bin zwar im Angestelltenverhältnis, arbeite aber selbstständig“, sagt Fräßdorf. Nun aber hätten die Eigentümer die Reißleine gezogen. Die Roßlauerin ist zwar traurig, aber verstehen kann sie auch das Warum. „Wenn nichts mehr los ist, was will man da machen? Wenn der Zulauf fehlt, dann geht es nicht mehr.“ Und im Sommer war ohnehin schon immer weniger los.
Die Leute gehen insgesamt weniger weg, erzählt die Wirtin. Und seit das Goethegymnasium geschlossen ist, fehlen auch die jungen Leute, die früher in die Billardkneipe gekommen waren. Zudem: eine Kneipe, die keine Küche hat, „stirbt aus“, stellt Fräßdorf fest. Ihre Kneipe sei ja keine Ausnahme. Anderen gehe es ebenso. Und besorgt setzt sie nach: „Wenn das so weitergeht, hat Roßlau bald gar nichts mehr.“
Dabei habe sie sich bemüht, Gäste anzulocken. Den Saal haben verschiedene Gruppen gerockt, ob Tangenten und Freunde, Blau-Rot, Rockpirat, Radio Nation, Max Mustermann, Coverbands von Status Quo und Led Zeppelin oder zur Karibischen Nacht die Los Cuban Boys und die Salsa Boys. Und auch als Absackerkneipe beim Schifferfest hatte sich das Elbschlösschen etabliert. „Ich war immer mit dem Herz dabei“, blickt Fräßdorf zurück. Der Abschied fällt ihr sichtlich schwer. Aber seit der Saal aus Sicherheitsgründen gesperrt worden ist, wurden auch die Möglichkeiten für sie geringer.
Was nun aus ihr selber wird? In der Gastronomie will sie nicht bleiben. „Jetzt möchte ich auch mal an mich denken und ein geregeltes Leben führen.“ Frühmorgens als Letzte in der Gaststätte das Licht ausmachen, das ist Vergangenheit.
