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Frühlingsboten in Rietzmeck  Frühlingsboten in Rietzmeck : Erste Störche beziehen ihre Horste

Von Silvia Bürkmann 09.03.2016, 17:21
Blicke nach oben können sich in Dessau-Roßlau  schon lohnen: Noch etwas erschöpft, thront in Neeken  der Heimkehrer  auf dem Nest.
Blicke nach oben können sich in Dessau-Roßlau  schon lohnen: Noch etwas erschöpft, thront in Neeken  der Heimkehrer  auf dem Nest. Sebastian

Rietzmeck - Fast auf den Tag genau wie im letzten Jahr ist am 3. März in der vorigen Woche der Storchenvater wieder in Rietzmeck eingetroffen, meldete unsere Leserin Edda Bahr aus dem Brambacher Ortsteil. Am Dienstag nun flog auch die Störchin ein, pünktlich zum Frauentag. Der Storchenmann hatte Quartier bezogen auf dem Wagenrad hoch über einem Strommasten, wo die Rietzmecker Störche seit 2014 ihre Jungen aufziehen. Darum hatte es vor zwei Jahren viel Aufregung gegeben, als Familie Storch den traditionellen Nistplatz verloren hatte, sich nicht mit einem Ausweich anfreunden konnte und hilflos über die Dorfstraße hüpfte. Erst als Naturschützer aus der Stadtverwaltung gemeinsam mit den Stadtwerken als Energieversorger eine Lösung fanden, waren die Bruterfolge im Dörfchen gesichert.

An Schlange erstickt

Vier junge Weißstörche schlüpften im Vorjahr. „Nun kann es wieder losgehen“, hofft Edda Bahr auf Fortsetzung. Aber auch auf weniger Aufregung, wie sie sagt. Denn die vier Rietzmecker Nestlinge von 2015 konnten nicht schadlos die erste Reise in den Süden starten. Nachdem das Quartett noch im Mai munter fotografiert werden konnte, war kurz darauf ein Jungtier erstickt, als es eine Schlange aufpicken wollte. Später dann bei ersten Flugversuchen wurde ein zweites Storchenkind zum Bruchpiloten und stürzte in Bahrs Garten ab. „Da wir nicht wussten, was ihm fehlt, haben wir ihn ins Auto gepackt und zum Storchenhof nach Loburg gebracht“, erzählt die Tierfreundin. Bei Christoph und Michael Kaatz von der Vogelschutzwarte Storchenhof war der Jungvogel in besten Händen. Dort wurde der „Unglücksrabe“ Bahrs Patentier und bekam den Namen Emma.

„Nach 14 Tagen konnten wir ihn wieder abholen und dann bei Neeken auswildern“, berichtet Edda Bahr weiter, dass ihr Schützling beringt wurde und jetzt mit der Nummer 628 durch die Lande fliegt. „Mit einer Gruppe von Jungvögeln hat sich ’Emma’ dann auf die Reise nach Süden gemacht. Vielleicht sieht man sie ja mal wieder?“ Wenn sie ihr erstes Lebensjahr ohne weitere Unfälle übersteht.

Eine lange Reise

Peu à peu kehren die großen Schreitvögel zurück. In Dessau-Roßlau ist bereits in Ziebigk der erste Vorbote eingeflogen. Auch über Neeken zieht Adebar wieder Kreise. Wie der Vogelberinger Horst Graff (84) weiß, ist das Storchenpaar von Oranienbaum bereits am 7. und 12. Februar heimgekehrt. Diese Zwei sind als Westzieher bekannt, fliegen die kürzere Route Südfrankreich, Spanien bis maximal Nordafrika. Sie kehren früh zurück und brüten zeitig.

Weitere Strecken absolvieren die Ostzieher über den Balkan und die Türkei nach Afrika. Mit deren Heimkehr ist erfahrungsgemäß Ende April zu rechnen, so Graff.

Die wissenschaftliche Vogelberingung unterstützt die ornithologische Forschung. 1.000 ehrenamtliche Beringer arbeiten für die drei deutschen Beringungszentralen. Dienstältester ist der 84-jährige  Horst Graff aus Dessau bei der Beringungszentrale Hiddensee/Greifswald. Er hat seit 1948 insgesamt 100.000 Vögel beringt in der Region Mittelelbe, Dessau-Roßlau/Wittenberg.

Seit 66 Jahren beringt Horst Graff Störche.
Der Uralt-Rekord stammt  aus den 1970er Jahren, wo  einmal  120 Störche beringt  wurden. „Spitzenjahrgang“ der jüngeren Zeit war  2011 mit glatt 100 Tieren. Sehr gute Bruterfolge gab es im Vorjahr 2015, wo 97 Ringe aufgesteckt werden konnten und der Vorrat restlos aufgebraucht war.
Der Jahresdurchschnitt für die 100 Nester der Mittelelbe-Region liegt zwischen 70 und 80 beringten Jungstörchen.

Ein Fall für sich ist der Kühnauer Storchenmann. Das Tier hatte Graff 2004 als Jungstorch beringt, als ein ganzes Geschwader von 14 Adebaren im Tierpark den Ring aufgesteckt bekam. Und der Kühnauer Storch bleibt jeden Winter hier. Findet er keine Nahrung auf Feld und Flur, kreuzt er eben nochmal im Tierpark auf, wo er ganz sicher Futter findet. Ist das Erinnerung? Graff zuckt die Schultern: „Der ist eben ein Schlauer!“ Und geduldig obendrein. Denn wenn seine „Ostzieherin“ heimkehrt, wird in Kühnau jedes Jahr gebrütet... (mz)