Forschungsgruppe erhält Ehrenpreis
Dessau/MZ. - Diesen Preis erhält die Forschungsgruppe für ihre Teilnahme am fünften Wettbewerb des Bündnisses unter dem Thema "Aktiv für Demokratie und Toleranz", an dem sich 72 Projekte aus Deutschland beteiligten. "Die bisherigen Wettbewerbe haben ein einzigartiges Potential von alltäglichen Handlungsmöglichkeiten erbracht", wertete der stellvertretende Geschäftsführer des Bündnisses, Reiner Schiller-Dickhut. "Jugendgruppen, Schulklassen, Künstler, Kirchengruppen, Fraueninitiativen und Seniorenclubs setzen mit guten Projekten Zeichen. Ihr Engagement macht Mut und spornt an, selbst aktiv zu werden."
Mit der Vergabe des Ehrenpreises nach Dessau wird die langjährige Arbeit der Forschungsgruppe um die Dessauer Hans Hunger, Antje Tietz, Sandra Scheer und Steffen Andersch gewürdigt, die sich mit Unterstützung weiterer Akteure seit rund acht Jahren der Aufarbeitung eines der dunkelsten Kapitel Dessauer Geschichte widmen. Es geht um die Herstellung des Giftgases Zyklon B in der einstigen Zuckerraffinerie von Dessau, mit dessen Hilfe die Nazis in den Konzentrationslagern Millionen Menschen ermordet haben. Die Initiative bemüht sich seit Jahren und in ehrenamtlicher Arbeit darum, dass diese Dessauer Geschichte aufgearbeitet wird.
Der Forschungsgruppe ist es zu verdanken, dass inzwischen über die Geschichte der Zuckerraffinerie mehr bekannt ist. Dieser Betrieb war neben einem Werk in Kolin im heutigen Tschechien und einem Produktionsstandort in Frankzeit während der Nazizeit der wichtigst Hersteller des Zyklon B-Giftgases. Nachweislich waren viele Tonnen des Gases von Dessau nach Auschwitz geliefert worden.
Ihre langjährigen Forschungsergebnisse, das Sichten von Archivmaterialien, Gespräche mit Zeitzeugen hat die Forschungsgruppe inzwischen in einer Broschüre zusammengefasst, für eine Veröffentlichung fehlt momentan das Geld. Erster Erfolg der Akteure war jedoch, dass die Stadt im Januar 2005 nach jahrelangem Bemühen an der Brauereibrücke einen Informations- und Mahnpunkt errichtete, der an Dessaus dunkles Kapitel erinnert.
"Wir freuen uns über diese Anerkennung aus Berlin", sagte Hans Hunger über den Ehrenpreis, wenngleich es noch viel zu tun gäbe. Während der Recherchen war die Gruppe in Dessau nicht selten auf Widerstand gestoßen. Sie überstand nicht nur lange Diskussionen um den Standort des Informations- und Mahnpunktes, der von Stadträten teils als "Investorenschreck", "Kollektivschuld" oder "Touristenschreck" bezeichnet worden war. Die Gruppe wurde während ihrer Arbeit immer wieder von älteren Dessauern mit einem Argument konfrontiert: Man solle dieses Kapitel der Geschichte endlich zur Seite legen. Es müsse endlich Schluss sein. - Gerade das sehen die Akteure anders.