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Export-Hit Zementanlagen Export-Hit Zementanlagen: Wissenschaftler erforschen Dessauer Industriegeschichte

29.04.2019, 11:42
Arbeiter in der Zementfabrik in Katanga in den 1920er Jahren.
Arbeiter in der Zementfabrik in Katanga in den 1920er Jahren. Landesarchiv

Dessau - Zum Dessauer Zementanlagenbau werden am Dienstag, 30.April, ab 19 Uhr neue Rechercheergebnisse präsentiert. Zwei Wissenschaftler aus Berlin und Brandenburg hatten mehrere Tage im Dessauer Landesarchiv recherchiert. Nun wollen Monika Motylinska und Max Trecker im Rahmen der Vortragsreihe des Vereins für Anhaltische Landeskunde im Alten Wasserturm ihre Erkenntnisse vermitteln.

„In der aktuellen Geschichtsforschung gewinnt der Dessauer Zementanlagenbau zunehmend an Interesse und das auf höchster – nationaler und internationaler - Ebene“, erklärt Archivleiter Andreas Erb. In Dessau seien umfangreiche zeitgenössische Akten, Werbematerialien und Fotografien vom Ursprungsunternehmen, der Firma G. Polysius Dessau, bis hin zum VEB Zementanlagenbau (ZAB) Dessau verwahrt und für die Forschung bereitgestellt worden.

Motylinska ist wissenschaftliche Mitarbeiterin der Historischen Forschungsstelle des Leibniz-Institutes für Raumbezogene Sozialforschung (IRS) in Erkner in Brandenburg. Sie konzentrierte sich auf den Export der Dessauer Fa. G. Polysius nach Afrika in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, darunter die Mozambique-Portland-Cement Plant Co. Ltd. in Mosambik sowie in Katanga in 1926 oder in Tourah in Ägypten in 1927.

„Damit forderte das Dessauer Unternehmen die Monopole der kolonialen Mächte heraus“, so Erb. „Außerdem unterhielt die Firma ein breites globales Netzwerk an Vertretern, was maßgeblich zu ihrem Erfolg beitrug.“ Obwohl sich die politischen und wirtschaftlichen Bedingungen nach dem Zweiten Weltkrieg änderten, lasse sich bei den Zementwerken langfristige Kontinuität beobachten, „denn die in den 1920ern erbauten Anlagen funktionieren auch heute“.

Es werden die realisierten und nicht realisierten Projekte von G. Polysius betrachtet. Zugrunde liegt die Beobachtung, dass Zementfabriken als Hauptadern der Bauwirtschaft und somit jeglicher Architekturproduktion im 20. Jahrhundert fungieren.

Der Wissenschaftler Trecker ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Zeitgeschichte München – Berlin. Er befasst sich mit der jüngeren Geschichte, speziell der Route „Dessau – Damaskus“ und blickt auf die Zusammenarbeit zwischen der DDR und dem Baath-Regime beim Bau von Zementfabriken in Syrien: Das Wirtschaftssystem der DDR wurde allgemein als geschlossen und von der Außenwelt abgeschottet betrachtet. Was sich nicht im eigenen Land herstellen ließ, musste innerhalb des sozialistischen Lagers „ertauscht“ werden. Auch wenn es Versuche gegeben hat, in einzelnen Branchen unabhängig vom Ausland zu werden, war die DDR-Wirtschaft immer in internationale Warenströme integriert.

Anhand eines Vorzeigeprojektes der 1970er Jahre illustriert Trecker diese Vorgänge: Bulgarische Bautrupps sollten mit Ingenieur-Know-how aus Dessau eine Zementindustrie in Syrien mit einer Produktionskapazität von Millionen Tonnen jährlich aufbauen. Die Fabriken wurden gebaut und produzieren zum Teil heute noch. (mz)