Ewige Karambolage köchelt im Gröbziger Fegefeuer
Gröbzig/MZ. - Eine Premiere, eine Finissage, eine Party gab es am Freitag in der Museumssynagoge Gröbzig. Am Anfang war das Ende der Ausstellung: "Linda McCartney - Sixties: Portrait of an Era". Das sei "ein komplexer kultureller Abend", begann Museumsleiterin Marion Méndez ihren kurzen Abgesang auf die Ausstellung und zitierte die Fotografin. Am Ende der 60er Jahre seien die Drogen härter geworden. "Der freie Geist stürzte in den Abgrund." Man ahnt den Abgrund nicht auf allen Handabzügen, nicht auf dem herrlich geschnitten Bild von B. B. King, aber doch im Blick von Janis Joplin. So vertraut kann nur eine Vertraute fotografieren. Das ist, das war der Reiz der Ausstellung. Die Party danach beschwört auch die Sechziger. Die aufgetragen Speisen sind Rezepturen Linda McCartneys nachempfunden. Da mag man sie schmecken, die Freiheit. Verdauungsprobleme gab es zuvor: Theater in der Synagoge, "Ichundich" inszeniert von Marion Méndez. Die 1941 geschriebene, erst lange nach dem Tod der Dichterin uraufgeführte "theatralische Tragödie" gilt als schwer oder unspielbar und darf ferner auf diesem Urteil beharren.
Zwei Herzen bewohnen bekanntlich Faustens Brust. Hier gehen Spaltung und Selbstbegegnung weiter. Die Dichterin tritt auf als Dichterin und, wahrscheinlich krähte Effi Méndez, fernes Alter beschwörend, deshalb schon zu Beginn, als Vogelscheuche. Die Dichterin korrespondiert natürlich mit Faust und Mephisto. Der Teufel ist zudem mit Goebbels verwandt. Der um die deutsche Seele trauernde Faust mag seinerseits an Gottfried Benn erinnern, den Geliebten der Dichterin.
Die Abrechnung mit den Nazis geht einher mit dem Versuch der Selbstbehauptung. "Eine Collage" nennt Méndez ihre Inszenierung, fügt zeitliche Beziehungskisten hinzu, Texte und Tänze, zu Caprices für Violine von Nicolo Paganini (Vladimir Anohin). Der Raum, die Synagoge ist schon an sich beziehungsreich und wird nicht erst, aber dann erschlagend real, wenn "Heil Hitler" gebrüllt wird.
Die Tänze spiegeln die Spiegelungen und mögen gefallen (Yann Revazov, Antje Feher und Denise Dumröse). Faust (Sebastian Golsch) bleibt im Schattenreich. Mephisto (Bartel Wesang) mag ein findiges Kerlchen sein, wie geschnitzt für die Posse. Nur der hoch poetische, tiefgründig humorvolle, nicht leicht eingängige Text gerät, viel zu oft auf Hochtouren artikuliert, unter die Räder der immerfort wechselnden Mittel: Schauspiel, Puppenspiel, Schattenspiel, Tanz und Projektionen. Da strudelt nicht nur Hitler ins Fegefeuer.
Wenn die Herren Nazis als lebensgroße Puppen mit dem Teufel tafeln, rülpsen sie dennoch sich und immer wieder den Text unter den Tisch. Natürlich, das ist ein Höllenspektakel. Und Méndez illustriert bis vieles verschwimmt, bringt zum Gottesbeweis alles und jeden in die Hölle, nur kein Licht in die verschränkte Figurenkonstellation. Aber vielleicht ist die Hölle himmelwärts offen? "Da ist Gott", darf - noch eine nachgetragene Selbstbegegnung (?) - zum Beschluss ein Teufelchen verkünden.