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Erweiterung des MDV-Gebietes Erweiterung des MDV-Gebietes: Warum ÖPNV-Fahrer aus Dessau-Roßlau und Anhalt-Bitterfeld nur teilweise davon profitieren

Von Thomas Steinberg 04.12.2019, 12:39
Eine Haltestelle der DVG in Dessau.
Eine Haltestelle der DVG in Dessau. Thomas Steinberg

Dessau-Roßlau - „Tach, Dessau-Roßlau“. Der kumpelhafte Werbespruch, derzeit an Haltestellen in der begrüßten Stadt zu sehen, erschließt sich erst, ruft man die angegebene Webseite mdv-nord.de auf: Es geht um die Erweiterung des Mitteldeutschen Verkehrsverbundes (MDV).

Der umfasst bislang die Region um Halle und Leipzig. Ab 15. Dezember sind auch die Landkreise Anhalt-Bitterfeld und Wittenberg sowie die Stadt Dessau-Roßlau dabei. Fahrgäste benötigen ab dann kein extra Ticket, wenn sie von der Bahn auf Bus und Straßenbahn oder umgekehrt wechseln, sondern können auf einem Ticket reisen.

Theoretisch. Denn das System hat Löcher. Die Dessauer Verkehrsgesellschaft (DVG) bleibt ebenso außen vor wie das Unternehmen Vetter, das mit seinen Bussen unter anderem die Landkreise Anhalt-Bitterfeld und Wittenberg bedient. Torsten Ceglarek, Geschäftsführer der DVG, hatte diese Zurückhaltung schon vor Monaten mit der Sorge vor Einnahmeverlusten begründet.

Die MDV-Erweiterung bedeutet auch für Bahnfahrer aus Dessau-Roßlau Veränderungen

Dennoch: Die MDV-Erweiterung bedeutet auch für Bahnfahrer aus Dessau-Roßlau Veränderungen. Die gute Nachricht: Etliche Fahrten werden billiger. Verlangt die Bahn für eine Fahrt von Dessau nach Leipzig bislang 14,70 Euro, sind es mit MDV-Tarif künftig 9,20 Euro, Benutzung von Straßenbahn und Bus in Leipzig inklusive.

Andere zahlen drauf. Beispielsweise Pendler zwischen Dessau und Köthen: Bislang kostet ein Monatsticket Dessau-Köthen im Abo 99,60 Euro, eine kostenlose Bahncard 25 gab es obendrein. Künftig sind es 108,20 Euro und die Bahncard entfällt. Das entspricht einer Erhöhung um mehr als acht Prozent - ohne dass in Köthen oder Dessau Bus beziehungsweise Straßenbahn genutzt werden könnten.

Wolfgang Ball, Pressesprecher der Nahverkehrsgesellschaft Sachsen-Anhalt (NASA), bestätigt solche Nebenwirkungen der MDV-Erweiterung. „Das ist bedauerlich“, sagt er, „aber wir haben keinen Einfluss darauf.“ Es sei eine Entscheidung der „lokalen Gremien“, im Verbund mitzumachen oder eben nicht wie Dessau-Roßlau und die Landkreise Anhalt-Bitterfeld und Wittenberg. Er spricht von einer „Teil-Integration“. Die hat Folgen: Der bisherige ABW-Tarif entfällt. Wer im Gebiet Anhalt-Bitterfeld, Wittenberg und Dessau-Roßlau von Bahn auf Bus oder umgekehrt wechseln muss, benötigt wieder zwei Fahrscheine.

Gemeinsame Ticket-App für MDV und Marego geplant

Das verantwortliche Verkehrsministerium in Magdeburg ignoriert sämtliche Anfragen zum Thema. Von einer „misslichen Fahrpreiserhöhung spricht Conny Lüddemann, Grünen-Fraktionschefin und stellvertretende Vorsitzende des Verkehrsausschusses, und verlangte Priorität für einen Umweltverbund von ÖPNV-, Rad- und Fußverkehr.

Der scheint weit entfernt, auch weil Deutschlands öffentlicher Personennahverkehr ganz in der Tradition der Kleinstaaterei steht. Über 400 Verkehrsverbünde gibt es, dazu etliche Landkreise, die den ÖPNV eigenständig organisieren. Darunter gib es Riesen wie den von Berlin und Brandenburg. Sachsen-Anhalt leistet sich zwei Verkehrsverbünde, Altmark, Harz, Stendal und Mansfeld-Südharz agieren eigenständig. Überall gelten andere Tarife, andere Regeln, werden Fahrpläne nicht unbedingt abgestimmt.

Immerhin: Ab Ende 2020, vielleicht auch 2021, soll es für die großen Verbünde MDV, Marego (um Magdeburg) sowie die DB eine Ticket-App geben, kündigt NASA-Sprecher Ball an.

In den Niederlanden ist man weiter. Wer Bus und Bahn benutzt, benötigt die OV-Chipkarte und muss sich dafür über Tarifzonen keine Gedanken machen: Sie wird beim Einsteigen an ein Lesegerät gehalten und beim Aussteigen ebenso. Der Fahrpreis wird dann abgebucht.

Ein bundesweites eTicket lässt noch lange auf sich warten

Erstaunlicherweise gibt es mit dem eTicket ein solches System sogar in Deutschland. Der Verkehrsverbund Kreisverkehr Schwäbisch Hall nutzt es seit 2006, eine Handvoll Unternehmen oder Verbünde haben nachgezogen. Um den technischen Standard kümmert sich die Kölner Firma VDV eTicket Service.

Für deren Pressesprecher Daniel Ackers ist der ÖPNV-Flickenteppich ein Grund, weshalb es so zäh ist, das eTicket in Deutschland einzuführen. Er müsse allerdings auch die Unternehmen in Schutz nehmen: Die Gesamtdigitalisierung sei teuer und komplex. „Und sie finden oft keine IT-Spezialisten, die das umsetzen könnten.“

Beruhigen kann das nicht. Bleibt es beim bisherigen Tempo, ist das eTicket in etwa 600 (!) Jahren deutschlandweit eingeführt. (mz)