Erster Zuchterfolg heißt Dessau
Dessau/MZ. - Das trübt die Freude Hartmut Kellners an seinem gelungenen Nachwuchs kein bisschen; denn der pensionierte Biologie- und Chemielehrer ist mit Leib und Seele Kakteenzüchter, fungiert als 1. Vorsitzender der Dessauer Ortsgruppe Kakteen und der Arbeitsgemeinschaft Echinopsishybriden der Deutschen Kakteengesellschaft.
Sechs Jahre Wartezeit
Der Kaktus "Dessau", eine kräftig magenta blühende Kreuzung, war Kellners erster Zuchterfolg. Der Kakteenzüchter hatte damals zwei der aus Südamerika stammenden Kugelkakteen unterschiedlicher Wuchshöhe und Farbschläge miteinander gekreuzt. Immerhin sechs Jahre musste er warten, ehe sich an den Blüten zeigte, ob eine neue, schönere Sorte entstanden war, die den Namen seiner Heimatstadt verdiente. Dass die großen, violetten Blüten seiner ersten Züchtung auch andere Kakteenliebhaber begeistern, schrieb ihm vor einiger Zeit ein Ehepaar aus Zerbst und legte dem Brief ein Foto bei.
Den Kaktus "Dessau" hatten die beiden in Baden-Württemberg gekauft. Diese robuste, relativ kleinwüchsige und leicht blühende Pflanze ist nämlich rings um Dessau nirgendwo zu haben, auch nicht beim Züchter. "Ich züchte neue Sorten, vermehren und verkaufen müssen sie aber andere", sagt Kellner. Mit der Aufzucht von Kakteen befassen sich nur wenige Gärtnereien in der Republik. Mit der Gärtnerei von Andreas Wessner in Muggensturm fand der Dessauer einen geeigneten Partner.
Bei mehr als 2 000 Kakteen-Arten sei eine Spezialisierung unabdingbar, erklärt der Experte, der eher zufällig zu seinem Hobby kam. Es war noch zu DDR-Zeiten, da schenkte sein Sohn der Mutter einen Kaktus zum Frauentag, "weil es gerade wieder mal keine Schnittblumen gab", erinnert sich der Vater, bei dem damals sogleich der Ehrgeiz erwachte. Er wollte die Pflanze unbedingt zum Blühen bringen. Aus dem Kakteenlexikon erfuhr er ihren Namen: Echinopsis aurea, die aus Argentinien stammt, hatte ihren Platz auf dem Fensterbrett gefunden. Es sei ein Erfolgserlebnis und Ansporn gewesen, als der Kaktus eines Tages leuchtend gelbe Blüten entfaltete.
Hartmut Kellner kaufte sich weitere Literatur und fand zunehmend Gefallen an den faszinierenden Formen dieser exotischen Pflanzen, von denen einige wie dornenbewehrte Arme meterhoch an die Zimmerdecke ragen, andere Blüten mit einem Durchmesser von 23 Zentimetern haben oder dünn und behaart sind, dass sie wie ein Affenschwanz aussehen (und auch so genannt werden). Eine Sorte, nimmt man ihren Namen wörtlich, wird wohl sogar Schwiegermüttern als Sitzgelegenheit angeboten. So manche Familie vererbt diese Pflanzen von Generation zu Generation, werden Kakteen doch über 100 Jahre alt.
Der angehende Kakteenzüchter baute ein Frühbeet, besorgte Samen und wurde in der Gärtnerei bald zum Stammkunden, in der er immer wieder nach "Neuigkeiten" fragte. Mitte der 70er Jahre war ihm dann die bloße Aufzucht nicht genug. Was käme heraus, wenn man einen hohen, dünnen, gelb blühenden Kaktus mit einem kleinen dicken mit roter Blüte kreuzt? Kellner probierte es und stellte sich bald konkrete Zucht-Ziele: "Ich möchte Pflanzen züchten, die gut wachsen, fürs Fenster geeignet sind, die leicht und lange blühen, möglichst mehrfarbig, und die es nicht übel nehmen, wenn man sie mal zu viel gießt."
"Wörlitz" ist Enkel
Hunderte Sämlinge zog er auf, pfropfte zahlreiche von ihnen auf robustere, schnellwüchsige Kakteen, begutachtete die Pflanzen, verwarf die zu groß, zu unscheinbar, zu anfällig geratenen Exemplare, bis 1982 an einer Echinopsis-Hybride diese wunderschöne große magenta Blüte erschien, sein erster Zuchterfolg "Dessau", der mindestens vier Mal im Jahr bis zu zwölf Blüten treibt. Das wurde viele Jahre später die Großmutter von "Wörlitz", die deutlich größer ist und eine hellere Blüte hervorbringt. Beide tragen eine Nummer. Wie bei allen Neuzüchtungen sind Vater- und Mutterpflanze dokumentiert.
Gemeinsam mit Wilhelm Hans, der die Fotos macht, gibt Hartmut Kellner für Echinopsis-Freunde in acht europäischen Ländern, den USA sowie Australien seit fünf Jahren das "Hybridenjournal" heraus. Darin werden nicht nur regelmäßig Neuzüchtungen aufgeführt, es dient auch dem Erfahrungsaustausch über Pflege und Schädlingsbekämpfung.
Im Kellnerschen Gewächshaus gedeiht zurzeit eine weitere Neuzüchtung. Sie blüht leuchtend Orange. Wegen der Farbe wolle er sie "Oranienbaum" nennen. "Aber eigentlich bin ich ja beleidigt, weil die nicht zu Dessau wollen", lacht Hartmut Kellner.
Ortsgruppe Dessau der Deutschen Kakteengesellschaft e.V. Treffen jeden vierten Montag im Monat um 19 Uhr im Naturkundemuseum (außer Januar / Februar, Juli / August).
Der Kaktus "Dessau" ist erhältlich bei der Kakteengärtnerei Andreas Wessner, 7 64 57 Muggensturm, Telefon 0 72 22-5 39 75.