Fall Yangjie Li Ermordete Chinesin: Staatsanwalt Dessau löst Empörung aus
Dessau - Rücksichtsvoll und nachdenklich, so beginnt der Leiter der Staatsanwaltschaft seine Stellungnahme zum Mord an Yangjie Li.
Folker Bittmann ist wohl der bekannteste Staatsanwalt des Landes: Er war für die Ermittlungen im Fall Oury Jalloh verantwortlich. Der Afrikaner ist 2005 in einer Dessauer Polizeizelle verbrannt. Bis heute ist nicht abschließend geklärt, ob er getötet wurde. Bittmann ist auch seit 2005 in Dessau tätig, vorher war er bei den Staatsanwaltschaften Halle und Frankfurt am Main. (mz)
Es dauert, bevor man realisiert, dass der Oberstaatsanwalt Folker Bittmann noch gar nicht über die junge Frau spricht, die fern der Heimat missbraucht und getötet wurde. Sondern über eine verunreinigte Behörden-Toilette. „Gewalt gehört zum Leben dazu. Leider“, so hatte Bittmann am Dienstag seine Stellungnahme eröffnet.
Es folgten eine Minute lang Überlegungen, wie auch „bei uns“ der „Respekt vor dem Anderen“ immer wieder hinter „Machtgelüsten“ zurücktrete. Dass niemand davor gefeit sei, „dass jemand aus seinen Kreisen ausbricht“.
„Das gilt auch für Journalisten“, so Bittmann. Dann erklärte er, dass man deshalb die Pressekonferenz unter freiem Himmel abhalte, weil „im Zusammenhang mit der letzten Pressekonferenz vor zehn Tagen sanitäre Anlagen der Staatsanwaltschaft verschmiert hinterlassen wurden“. Erst dann geht es um Yangjie Li.
Merkwürdige Prioritätensetzung
Nicht nur wegen der Prioritäten seines Vortrags sorgt Bittmann für Empörung. Die Angehörigen der Ermordeten, die sich in Dessau aufhalten, sind nach Angaben ihres Betreuers entsetzt über Bittmanns Ausführungen.
Rudolf Lückmann ist Professor an der Hochschule Anhalt in Dessau und betreut die Kooperationsprojekte mit chinesischen Hochschulen. Mit seiner Frau Yili Lu, sie ist Koordinatorin für die Masterstudenten aus China, sowie einer kleinen Gruppe von Studenten betreut er die Eltern der ermordeten Studentin, die seit Freitag vergangener Woche in der Stadt sind. (mz)
Der Oberstaatsanwalt gebe den mutmaßlichen Mördern „Vorrang vor dem Schutz des Opfers“, beklagt der Betreuer Rudolf Lückmann. Anlass der Empörung ist vor allem, dass Bittmann auch die Version der Tatverdächtigen verbreitete, wonach sie mit der Studentin zu dritt Sex gehabt hätten - und die Chinesin dann lebend das Pärchen verlassen habe. Bittmann wollte sich auf MZ-Nachfrage zur Kritik nicht äußern.
Schweigender Oberstaatsanwalt
Nach seinem Auftritt vom Dienstag mag er überhaupt nichts mehr so richtig erklären. Seine Ansicht fasst er am Mittwoch so zusammen: „Der Ort, die Tat zu rekonstruieren, ist die öffentliche Hauptverhandlung. Informationen aus dem Ermittlungsverfahren können daher nur skizzenhaft ausfallen. Die darunter fallenden Angaben haben Staatsanwaltschaft und Polizei veröffentlicht. Es sind daher - vorbehaltlich etwaiger wesentlicher neuer Entwicklungen - keine weiteren Äußerungen beabsichtigt.“
In der Sache, den Ermittlungen, fehlt nach wie vor Entscheidendes: Geständnisse der beiden Tatverdächtigen. In vier Wochen folgt regulär der erste Haftprüfungstermin. Bis dahin müssen die Ermittler die Last der Beweise oder Indizien gegen das dringend verdächtige Paar erhöhen.
Nur dann kann das Amtsgericht in Dessau die Verlängerung der Untersuchungshaft anordnen. Ansonsten ist auch eine Freilassung möglich.
Oberstaatsanwalt Bittmann war von Anfang an zurückhaltend mit Informationen in dem Aufsehen erregenden Fall. Bereits in den ersten Tagen nach dem Mord untersagte er der Polizei, Fragen der Medienvertreter zu beantworten.
Und mittlerweile gibt es sogar eine Anzeige der Staatsanwaltschaft gegen Unbekannt: wegen Geheimnisverrats. Auslöser dafür soll eine aus Polizeikreisen durchgesickerte Information sein.
Dabei geht es wohl um die erste inoffizielle Mitteilung über die Identifizierung einer fremden DNA an der Leiche. Auf Geheimnisverrat stehen bis zu fünf Jahren Freiheitsentzug. „Adressat der Anzeige ist kein einzelner Mitarbeiter, sondern die Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Ost insgesamt“, so ein Polizeisprecher am Mittwoch auf MZ-Anfrage.
Kommentieren will das aktuelle Arbeitsverhältnis zwischen Staatsanwälten und Ermittlern keine der beiden Seiten. (mz)