Erfolgreiches Unternehmen Erfolgreiches Unternehmen: Echte "Lieblingsköder" kommen aus Dessau

Dessau - Jens Puhle sieht erschöpft aus. Gerade war der Inhaber einer Werbeagentur mit angeschlossener Angelköderproduktion einen ganzen Tag mit einem Kamerateam und einem Boot auf dem Strelasund unterwegs, um Hecht, Zander und Barsch zu angeln. Zurück in Dessau fasst Puhle den Ausflug mit geröteten Augen knapp zusammen: „Das ist echt keine Entspannung, das ist Extremsport.“ Und es ist ein Geschäft.
Verrücktes Jahr
Vor dem Bauhaus-Café lässt Puhle ein mehr als verrücktes Jahr passieren. Der Dessauer ist nicht nur Vater eines Sohnes geworden. Der passionierte Angler ist mit seiner Idee vom „Lieblingsköder“ auf dem besten Weg, sein Hobby endgültig zum Beruf zu machen. Mit einem kleinen Team, das sich teilweise aus den Angestellten seiner Werbeagentur Designroyal rekrutiert, entwickelt und vermarktet Puhle seit zwölf Monaten Gummi. Angelköder mit so netten Namen wie „Sunny“, „Sheriff“, „Whisky“ oder „Wasabi“. Und das erfolgreich. „Wir spielen da inzwischen in der Champions-League.“
Bis unter die Decke stapeln sich die Kartons in Puhles Büros. Nach der erfolgreichen ersten Kollektion werden pünktlich zum ersten Geburtstag derzeit die neuen Lieblingsköder ausgeliefert. Etwa 250 000 solcher Gummifische werden bis Ende Dezember allein in diesem Jahr von Dessau aus ihren Weg an die Angeln hauptsächlich deutscher Angler gefunden haben. Puhle hat seine ganzen Ersparnisse in dieses Projekt investiert, hat sich Geld geliehen und freut sich nun zu beobachten, wie das Ködergeschäft langsam Früchte trägt.
Anfang vor eineinhalb Jahren
Am Anfang, und das ist gerade einmal eineinhalb Jahre her, stand der Ärger des Anglers Jens Puhle, der als Ausgleich zum stressigen Agenturalltag einen Großteil seiner wenigen Freizeit an heimischen Gewässern verbrachte und zu oft ohne einen kapitalen Fang nach Hause zurückkehrte. „Das hat mich einfach deprimiert.“
Das Unternehmen „Lieblingsköder“ wurde am 27. November 2012 gegründet. Ziel war die Entwicklung des perfekten Zanderköders. Ein Jahr lang wurden etwa 100 verschiedenen Prototypen und Farben ausprobiert. Vier Grundfarben für vier Wettertypen bleiben übrig. Offizieller Verkaufsstart der Köder war im Herbst 2013. Innerhalb von vier Monaten wurden über 20.000 Köder verkauft. Das Händlernetzwerk wuchs auf etwa 100 Geschäfte in Deutschland und Österreich. Auf Facebook hat „Lieblingsköder“ inzwischen eine Community von über 29 000 Freunden.
Puhle buchte Angel-Guides, die ihm zeigen sollten, wie man – und darum ging es ganz am Anfang – Zander fängt. Daraus entstand die „Wettermethode“, die für vier erwartbare Wettersituationen genau vier verschiedene Köder bereithält. Mit dem Messer bastelte der Dessauer die ersten Prototypen und fand einen ausländischen Produzenten, der schnell und mit hoher Qualität das umsetzte, was Puhle von da an „Lieblingsköder“ nannte. Der Rest ist Geschichte.
Eine erzählenswerte allerdings. Denn manch gute Idee floppt, bleibt nur ein Geheimtipp unter Freunden. Doch Puhle konnte seine jahrelange Erfahrung als Werbefachmann einbringen und vermarktete seine Gummifische so gekonnt über Facebook, die eigene Website und vor allem über persönliche Kontakte zu Anglern und Angelläden in ganz Deutschland, dass es ihm gelang, „Sunny“, „Whisky“ und „Pinky“ tatsächlich zum Lieblingsköder vieler Angler zu machen.
„Wir sind keine anonyme Firma, die den Kontakt zu den Kunden verloren hat“, versucht Puhle die Unterschiede zu erklären. „Wir sind selbst Angler und wir hören zu.“ Aus diesem Zuhören ist gerade ein neuer signalroter Köder entstanden: „Möhrchen“, spezialisiert für den Dorschfang. „Der Bedarf war einfach da“, sagt Puhle. Flexibilität ist ein weiterer Erfolgsfaktor seiner Firma. Sollte die sich weiter so gut entwickeln – fünf Leute kümmern sich bereits jetzt um das Geschäft mit den Ködern –, weiß Puhle, dass es schwer wird, die engen Kontakte zu halten.
Hobby als Beruf
„Ich will es trotzdem versuchen“, sagt Puhle, greift schon wieder zum Telefon, beantwortet alle Anfragen persönlich, postet Fotos vom Angeltrip auf dem Strelasund, plant weiteres Zubehör unter dem Label „Lieblingsköder“ und ist mit den Gedanken längst wieder am Wasser. Anstrengend ist es ganz gewiss, aber es ist der Traum, den viele träumen, der Traum vom Hobby als Beruf. (mz)
