Erfinder lebt in Köthen Erfinder lebt in Köthen: Ein kleines Kraftwerk für den Mond
Köthen/MZ. - Laut Deordjev braucht die Maschine keine Energieträger im herkömmlichen Sinne. Ihr wesentlicher Teil sind zwei Behälter, die je an einem der Hebel rechts angebracht und durch einen Schlauch verbunden sind. Die Behälter sind zum Teil mit Flüssigkeit gefüllt, der obere ist verschlossen. Zwei weitere Behälter an den anderen Enden der Hebel sorgen für das Gleichgewicht.
Verändern sich nun die Außentemperatur oder der atmosphärische Druck, so dehnt bzw. zieht sich die Luft im verschlossenen Behälter zusammen und drückt einen Teil der Flüssigkeit heraus oder saugt Flüssigkeit aus dem unteren Behälter auf. Beide Behälter werden also wechselweise leichter bzw. schwerer. Dadurch wird das Gleichgewicht der beiden Hebel verletzt, sie bewegen sich und leisten damit Arbeit.
Irgendwie wird man bei dem Anblick dieser eigenartigen Konstruktion an den alten Traum von einem perpetuum mobile erinnert. Alle Einzelteile dafür hat Deordjev auf Schrottplätzen bzw. aus dem Müll besorgt. So stammt einer der Behälter von Cremeseife, zwei weitere enthielten in ihrem früheren Leben Allgäuer Joghurt, das Gestell war einmal ein Wäschetrockner. Teile von einem Fahrrad, eine kurze Gardinenleiste, ein Stückchen von einer Bierbüchse, alte Holzleisten - das alles fügte der 64-Jährige zu seinem "Gravitationsmotor" zusammen. Alles passt und hat nichts gekostet.
Das letztere ist für Deordjev wichtig. Der geborene Bulgare, dessen Vorfahren vor Jahrhunderten in Griechenland lebten und später nach Russland zogen, kam 1999 mit seiner Frau jüdischen Glaubens aus der Ukraine nach Köthen. Viel Geld hat er für seine Erfindertätigkeit nicht.
In der Ukraine hatte Deordjev als Technologie-Ingenieur in einer Gaststättenorganisation gearbeitet. Trotz des "stinknormalen" Berufes ließ ihn seine alte Physik-Leidenschaft nie los. "Gepackt hat es mich, als ich als 12-Jähriger das Buch ,Unterhaltsame Physik' gelesen hatte", erinnert sich der Bastler.
Irgendwann stieß er in der Literatur auf den Namen des Deutschen Orffyreus, der vor fast dreihundert Jahren in ähnlicher Richtung arbeitete. Obwohl dieser damals mit seiner Erfindung keinen Anklang fand und von vielen als Betrüger bezeichnet wurde, hält Deordjev den Deutschen für einen genialen Erfinder. "Die Gedanken von Orffyreus werden sich genauso durchsetzen wie die von Kopernikus", prophezeit er.
Vielleicht ist ihm Orffyreus auch deshalb so nah, weil die Erfindungen Deordjevs vielen ebenfalls nur ein Lächeln wert ist. Vehement protestiert der Tüftler zum Beispiel, wenn seine Erfindung als Perpetuum mobile bezeichnet wird. "Perpetuum mobile ist ein Apparat, der ewig ohne Zufuhr von Energie arbeiten soll", sagt er. "In meinen Erfindungen werden dagegen Gravitationsenergie bzw. fallende oder steigende Temperaturen und atmosphärische Drücke genutzt."
Nach seiner Meinung könnten seine Erfindungen zum Aufziehen von Uhren, ebenso gut aber auch für die Produktion von Strom zum Beispiel auf dem Mond oder der Venus verwendet werden.
Für seinen "Gravitationsmotor" hat er mit Hilfe des Bundesministeriums für Bildung und Forschung ein Gutachten erhalten. Prof. Dr. Ing. Hermann Appel aus Berlin bescheinigt die Funktionstüchtigkeit des Apparats. Jedoch sei die Menge der produzierten Energie so gering, dass eine praktische Anwendung keinen Sinn mache.
Deordjev lässt sich davon nicht entmutigen. "Es gab mal Zeiten, wo namhafte Experten behaupteten, ein Apparat, der schwerer ist als die Luft, könne nicht fliegen", kontert er. Seinen "Gravitationsmotor" will der Erfinder patentieren lassen und gar dessen Produktion in Köthen organisieren. Zugegeben, das Letztere verleitet unwillkürlich zum Schmunzeln. "Lachen Sie nicht", sagte vorwurfsvoll Deordjev. "Ich brauche nur einen passenden Raum und einige Gleichgesinnte, die etwas von Patent- und Arbeitsrecht sowie von Technik verstehen."
Wladimir Deordjev ist unter der Rufnummer 03496 / 50 97 45 zu erreichen. Allerdings spricht er kaum Deutsch.