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Entwicklungshilfe aus Dessau Entwicklungshilfe aus Dessau: Als Volontär nach Haiti

Von Silvia Bürkmann 23.11.2015, 12:26
René Beeg in der Werkstatt (li.) und mit dem Team, mit dem er zwei Wochen lang in Haiti zusammengearbeitet hat.
René Beeg in der Werkstatt (li.) und mit dem Team, mit dem er zwei Wochen lang in Haiti zusammengearbeitet hat. Privat Lizenz

Dessau - Ende Oktober und Anfang November wurden die Mitteleuropäer mit dem Wetter noch regelrecht verwöhnt. Für René Beeg aus Dessau gehörten vom 25. Oktober bis zum 8. November rauschende Karibik und tropische Temperaturen zum Alltag. Zwei Wochen Haiti, Urlaub im Paradies? Beeg schüttelt nach seiner Heimkehr energisch den Kopf. „Nein, nein. Zwei Wochen Entwicklungshilfe in einem der ärmsten Länder der Welt“, erklärt er.

Als Volontär ins Krisengebiet

Der Orthopädietechnikermeister aus Dessau war als Volontär für die gemeinnützige Organisation „medi for help“ in dem nach einem gewaltigen Erdbeben vor fünf Jahren noch immer zerrüttetem humanitären Krisengebiet. „Davon hatte ich in einer Fachzeitschrift gelesen. Und mich dafür einfach mal bei medi beworben. Neugier war schon dabei“, schildert der 49-Jährige seinen ersten Schritt hin zum Entwicklungshelfer. Und es wurde prompt sein erster Einsatz. Das namhafte Unternehmen aus Bayreuth meldete sich umgehend. Geflogen über Amsterdam und den „großen Teich“ zuerst bis Atlanta, landete der Dessauer auf der Insel Hispaniola und in Port-au-Prince.

Einsatzort wurde das Albert-Schweitzer-Hospital im nahe gelegenen Deschapelles, wo „medi for help“ kurz nach dem Erdbeben bereits im Februar 2010 ein prothetisches Rehabilitations-Center errichtet hat, in dem beinamputierte Haitianer kostenlos behandelt werden. Nach den Wunden des Erdbebens werden im Hospital inzwischen wieder mehr Unfallopfer behandelt und beinprothetisch behandelt.

Nachhaltigkeit und Hilfe zur Selbsthilfe

Der Grundgedanke der Helfer setzt auf Nachhaltigkeit und Hilfe zur Selbsthilfe. Dazu zählt, dass haitianisches Personal in Deschapelles zu Orthopädietechnikern ausgebildet und gezielt geschult wird. René Beeg geriet ins Staunen: Nicht nur die Prothesenwerkstatt im Hospital ist gut ausgestattet mit Maschinen und Werkzeug, auch die einheimischen Mechaniker sind schon gut ausgebildet. „Da lief unsere Zusammenarbeit schon richtig professionell.“

In der Werkstatt arbeitet ein Orthopädietechnikermeister aus Deutschland jeweils für ein Jahr und wird dabei unterstützt von sich regelmäßig abwechselnden „Volunteers“. Nun also bekam Werkstattleiter Ralf Jungblut aus Bremen René Beeg aus Dessau zur Seite. Der 55-jährige Hanseate liebäugele jetzt mit einem längerfristigen Engagement bei „medi for help“, hängt vielleicht noch ein zweites Jahr dran, vermutet der Kollege und Besucher aus Dessau.

Das Unternehmen medi ist ein in Bayreuth ansässiger, führender Hersteller von medizinischen Hilfsmitteln. Die Wurzeln reichen zurück bis 1920 nach Pausa im sächsischen Vogtland. (Quelle: wikipedia)

Direkt nach dem schweren Erdbeben in Haiti im Januar 2010 startete das Bayreuther Unternehmen medi als Akuthilfe das Projekt „medi for help “ mit dem Ziel, den Opfern des Bebens schnell und unbürokratisch zu helfen und Bedürftige mit Beinprothesen zu versorgen. Bisher konnten über 4500 Patienten behandelt werden und wurden unentgeltlich mit Beinprothesen und Orthesen versorgt. Langfristig sollen einheimische Techniker die Versorgung selbstständig übernehmen. Um die Versorgung in Haiti auch zukünftig gewährleisten zu können, spielen die Volontäre, freiwillige Orthopädietechniker und Orthopädietechnikermeister, eine entscheidende Rolle: Gemeinsam mit der Hanger Ivan R. Sabel Foundation (USA) rekrutiert „medi for help“ Volontäre mit orthopädietechnischem Schwerpunkt, die unentgeltlich für zwei bis vier Wochen in Haiti arbeiten. (Quelle: wikipedia)

Das Hospital „Albert Schweitzer“ in Haiti befindet sich nordwestlich der Hauptstadt Port-au-Prince in Deschapelles. Das Krankenhaus gilt als eines der besten Haitis. Es verfügt über 115 stationäre Betten. Nach dem Erdbeben wurden dort zeitweise über 600 Betten gebraucht. (Quelle: wikipedia)

Der Kontakt mit den Kollegen war professionell, ohne Schwellenängste und darauf ausgerichtet, die Patienten bestmöglich zu versorgen. Die Begegnung mit den Haitianern war im Grundsatz sehr freundlich und sprachlich recht abenteuerlich, lacht Beeg. Die Bevölkerung spreche kaum noch die alte Amtssprache Französisch (Beeg: „Ich ja auch nicht“), sondern ihr Haitianisch. Eine Kreolsprache, die westafrikanische Grundlagen mischt mit Einträgen aus französischen Wortwurzeln und kreolisierter Grammatik und Lautung. Ein schweres sprachliches Erbe der europäischen Kolonialzeit in Mittelamerika. Kein Kreolisch hat René Beeg lernen können, sondern ist im Austausch immer über die bewährte Brücke mit einfachem Englisch gestolpert.

Ein Stück Lebenserfahrung

Sein Rückblick auf die Wochen auf der Insel fällt dennoch gut aus. „Für mich war es einfach ein Stück Lebenserfahrung. Zwar hatte ich von Haiti als dem Armenhaus der Welt gehört, aber mir die tatsächlichen Lebensumstände abseits von Tourismushochburgen nicht im Traum vorstellen können.“

René Beeg schaltet jetzt wieder um auf die Arbeit in seinem Sanitätshaus in der Raumerstraße. Vergisst aber Deschapelles und Port-au-Prince nicht. „Auch aus dem ärmsten Land kann man reicher zurückkehren. Ich empfinde diese zwei Wochen als Bereicherung an Lebenserfahrung.“ (mz)

René Beeg in der Werkstatt (li.) und mit dem Team, mit dem er zwei Wochen lang in Haiti zusammengearbeitet hat.
René Beeg in der Werkstatt (li.) und mit dem Team, mit dem er zwei Wochen lang in Haiti zusammengearbeitet hat.
Privat Lizenz