Ein Stück Region Ein Stück Region: Agrargesellschaft Wörlitz stellt in Vockerode seit geraumer Zeit eigenen Käse her

Vockerode - Wenn es quietscht, ist es gut. Beate Maiwald langt in den großen Bottich, greift ein wenig von der in gelblicher Flüssigkeit schwimmenden Masse heraus, knetet sie, prüft die Konsistenz. Es quietscht. „Wir können ihn rausholen.“ Dreieinhalb Stunden zuvor: Ein Gabelstapler fährt aus der Melkanlage einen Edelstahltank hinaus und setzt ihn 100 Meter weiter auf ein Stahlgestell neben der Käserei. Eine Luke in der Wand wird geöffnet, ein Schlauch hinausgereicht und an den Tank gekoppelt; bald fließt die Milch über durchsichtige Schläuche in eben jenen Bottich, dessen Inhalt kurz vor zehn Uhr Beate Maiwald untersucht wird. Sie übt einen in der Region höchst seltenen Beruf aus, den der Käserin.
Mehr als 660 Milchkühe geben täglich rund 16.900 Liter Milch
„Im Osten gibt es fast nur Großmolkereien.“ Steffen Dalichau muss es als einer der beiden Geschäftsführer der Agrargenossenschaft Wörlitz wissen. Mehr als 660 Milchkühe stehen in deren Ställen östlich von Vockerode und geben täglich rund 16.900 Liter Milch. Fast die gesamte Produktion geht an einen der marktbeherrschenden Milchverarbeitungsbetriebe.
Aber eben nur fast. Ein kleiner Teil der Milch wird seit 2016 am Rande von Vockerode verkauft. Dort, neben den Milchviehställen, hat die Agrargenossenschaft ihre Milchtankstelle aufgebaut. Regina Bormann ist für diese verantwortlich. „Man kann sagen, es läuft.“ Besser als erwartet. Seit Ende vorigen Jahres kümmert sie sich zusätzlich um den neu eingerichteten Käseladen.
Beate Maiwald arbeitet seit Jahrzehnten in der Agrargenossenschaft Wörlitz. „Angefangen habe ich als Schweinezüchterin.“ Das Handwerk des Käsemachens hat sie von Volker Ziegler gelernt, wie Dalichau Geschäftsführer des Agrarbetriebes. Auch er war ein Neuling im – soll man sagen? - Käsefach. Seine Lehrmeister kamen aus Bayern und Österreich.
60 Kilo Käse wird Beate Maiwald an diesem Tag produzieren
60 Kilo Käse wird Beate Maiwald an diesem Tag produzieren. Kerstin Voigt, Verkäuferin im Käseladen, geht ihr dabei zu Hand. Das ist wörtlich zu nehmen: Käsemachen in Vockerode ist ein Gutteil Handwerk, auch wenn die Käserei nichts zu tun hat mit nostalgisch-verlogenen Bildern, mit denen Lebensmittel so gern beworben werden. Hier ist alles Edelstahl und Kacheln.
Die Entdeckung des Käses reicht weit zurück, wohl in die Steinzeit, als Jäger in den Labmägen junger Ziegen, Schafe und Rinder weißliche Klumpen einer cremigen Substanz entdeckten. Im sogenannten Lab enthaltene Enzyme hatten die gerade noch getrunkene Milch gerinnen lassen.
Für die Herstellung vieler - nicht aller - Käsesorten wird nach wie vor Lab verwendet. Inzwischen stammt es zumeist nicht mehr aus Kälbermägen (was den damit erzeugten Käse für Veganer zum absoluten No-Go werden lässt), sondern wird aus anderen Quellen und mit anderen Methoden gewonnen.
Als der Milchautomat aufgestellt wurde, bedeutete das für die Genossenschaft einen „Kulturwandel“
Es dauert mehrere Stunden, bis die 600 Liter Milch nach Zugabe einer Bakterienkultur und von Land geronnen sind. Die Masse wird ständig gerührt, am Ende noch erwärmt, bis am Ende die so genannte Gallerte entstanden ist, deren Konsistenz der von festem Joghurt ähnelt. Maiwald und Voigt tauschen das Rührwerk nun gegen die Käseharfe aus, überdimensionale Gabeln, mit denen die Masse geschnitten wird. Die Regel lautet: je feiner der Käsebruch, desto härter wird später der Käse.
Als der Milchautomat aufgestellt wurde, bedeutete das für die Genossenschaft einen „Kulturwandel“. Dalichau: „Wir hatten kaum Kontakt zur Bevölkerung.“ Das hat sich geändert. Regina Bormann, die Ladenmanagerin, kennt längst Stammkunden. Eine Frau, sagt sie, komme sogar regelmäßig aus Rodleben, um Milch zu zapfen. So nah am Kunden man nun den Käse herstellt - eine Besichtigung der Molkerei ist nicht möglich. Die Hygiene lässt das nicht zu. Der Zutritt ist beinahe wie in einem Labor kontrolliert, wer rein will, muss sich umziehen oder wenigstens einen Overall überstreifen.
Etwa zehn Käsesorten hat der Vockeroder Käseladen ständig vorrätig
Etwa zehn Käsesorten hat der Vockeroder Käseladen ständig vorrätig, dazu wechselnde Sorten im Angebot. Vor allem Schnittkäse, aber auch einige Weichkäse. Manche sind mit Kräutern versetzt, mit Knoblauch oder dem Saft von Möhren. Im gekühlten Reiferaum lagern die drei Kilo schweren Laibe in Regalen einige Wochen oder auch Monate. Mit dem Alter werden die Käse im Geschmack immer kräftiger.
Nach bestandenem Quietschetest wird der Kessel in eine Wanne geleert, durch ein seitlich angebrachtes Sieb kann die Molke entweichen. Mit Hydraulikstempeln wird die Masse bei bis zu sechs Bar weiter entwässert, bis eine feste Masse entsteht. In Portionen geschnitten, füllen Maiwald und Voigt sie in Formen, die aufeinandergestapelt weitergepresst werden, bevor sie zwei Tage in Salzlake gelagert und dann in die Reifung kommen.
Im Laden steht Regina Bormann dann und schneidet einen Käselaib auf. Das wirkt bei ihr weniger wie ein mechanischer Vorgang, sondern wie eine rituelle Handlung. Sie hält den halben Laib hoch, zeigt die Schnittkante. „Ist der nicht wunderschön?“ (mz)




