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Drei Monate Haft für eine Beleidigung?

Von Claus Blumstengel 27.09.2005, 16:44

Dessau/MZ. - Schimpfworte sind im Ärger schnell mal herausgerutscht, doch der Schaden - auch der psychische, den solcherart Beleidigungen anrichten, ist oft groß. Nicht von ungefähr gilt eine Beleidigung in Deutschland als Straftat.

Dass Beleidigungen streng geahndet werden, wenn der Verunglimpfte Anzeige erstattet, erlebte der 33-jährige Helmut B. (alle Namen geändert) aus Dessau. Für die Beschimpfung "Du schwule Sau" hatte ihn das Dessauer Amtsgericht im Februar 2005 zu drei Monaten Haft verurteilt. Das Besondere daran: B. saß zu dieser Zeit schon, und die Beleidigung galt dem Strafvollzugsbeamten S. Nun geht es im Knast zwar sicher nicht zu wie auf Omas Kaffeekränzchen, aber diese Entgleisung wollte der ebenfalls in Dessau beheimatete "Schließer" dann doch nicht auf sich beruhen lassen. Jedenfalls ist es nachvollziehbar, dass er seine Anzeige vor dem Amtsgericht damit begründete, er fühle sich in seiner Ehre verletzt.

Silberpapier im Schuh

Helmut B. wollte sich mit dem Urteil nicht abfinden und legte Berufung ein. Vor der 3. Strafkammer des Landgerichts schilderte er vorige Woche nochmals, was an jenem Junitag 2004 in der Justizvollzugsanstalt Dessau passiert ist: Helmut B. hatte Besuch bekommen und wurde anschließend routinemäßig kontrolliert. Dabei fand sich in seinem Schuh ein Stück Silberpapier, wie es zur Verpackung von Rauschmitteln verwendet wird. Da seine Drogensucht bekannt war, wurde Helmut B. vorschriftsgemäß aufgefordert, sich für eine Durchsuchung zu entkleiden. Da er das als Schikane empfand, beleidigte B. den damit beauftragten Beamten, entschuldigte sich bei ihm aber einige Wochen später.

Die Schuld seines Mandanten sei unstrittig, sagte Rechtsanwalt Sven Tamoschus. Wenn er aber jetzt erneut drei Monate in Haft müsse, werde eine Drogentherapie unterbrochen, die B. zurzeit im Maßregelvollzug in Bernburg mache, gab der Verteidiger zu bedenken und beantragte die Umwandlung in eine Geldstrafe. Ansonsten sei der Erfolg der Therapie fraglich. Der Verurteilte bekommt für verschiedene Arbeiten im Vollzug um die 120 Euro monatlich, könne eine Geldstrafe also bezahlen.

Gefährliche Körperverletzung, Diebstahl, Betrug, Störung der Totenruhe, Beihilfe zum Drogenhandel - das Strafregister des B. ist umfangreich. Der Verurteilte habe jedoch "einen positiven Weg eingeschlagen", verwies der Staatsanwalt auf die Drogentherapie. Diese mit einer weiteren Freiheitsstrafe zu torpedieren sei unangebracht. So sprach sich auch die Staatsanwaltschaft für eine Geldstrafe aus.

90 Tagessätze

Das Gericht entsprach in seinem Urteil den Anträgen und verurteilte Helmut B. wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 360 Euro (90 Tagessätze). Eine Freiheitsstrafe von unter sechs Monaten solle nur verhängt werden, wenn das zur Einwirkung auf den Angeklagten oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich sei. Da der Maßregelvollzug ordentlich laufe, sei diese Notwendigkeit nicht gegeben, stellte Richter Martin Habekost fest. Verteidigung und Staatsanwaltschaft erklärten ihren Verzicht auf Rechtsmittel, so dass das Urteil rechtskräftig ist.