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„Es wird nicht wie vorher“ Drei Gastronomen aus Dessau-Roßlau tauschen sich im MZ-Gespräch über die Corona-Misere aus

13.04.2021, 09:34

Dessau-Roßlau - Neben der Kultur gehören die Gastronomen zu den größten Verlierern der Pandemie. Viele hatten nach fünf Monaten Schließung auf das Ostergeschäft gehofft, doch auch das geht ihnen durch die Lappen. Wie gehen Restaurantinhaber in Dessau-Roßlau mit der Misere um, welche Perspektiven gibt es und welche Forderungen?

Die MZ lud Thomas Stittrich vom Café Lily, Gürcan Gönen, Inhaber des Döner-Imbiss Alibaba und des Grillrestaurants Etmangal, sowie den Geschäftsführer von Heima Menü, Mirko Kirschner, zu einem Mini-Gastrogipfel ein. Das Gespräch führte MZ-Redakteur Daniel Salpius.

Außengastronomie mit Test, Öffnung bei Inzidenz 35, dann doch schon bei unter 100. Aktuell spricht nun gerade gar keiner mehr von Öffnungen, aber Modellprojekte könnte es geben. Blicken Sie noch durch?

Mirko Kirschner: Das ist doch relativ einfach, wir machen alle weiter nichts.

Thomas Stittrich: Wir sind ja auch aktuell bei einer Inzidenz über 100, da hat sich sowieso alles erledigt. Aber für uns Gastronomen hat sich auch mit der Aussicht, die Außengastronomie öffnen zu dürfen, nichts geändert. Das Wetter passte noch nicht.

Aber in der warmen Jahreszeit wäre das die Lösung?

Gürcan Gönen: Für mich, ja. Ich baue zu 80 Prozent auf die Außengastronomie. Denn ich denke nicht, dass in diesem Jahr viel etwas anderes möglich sein wird.

Stittrich: Nun, sei doch nicht so negativ.

Kirschner: Also ich sehe das eigentlich auch so wie Gürcan.

Stittrich: Für mich ist Außengastronomie eher nicht das richtige Mittel. Es ist immer wetterabhängig und deshalb schlecht planbar.

Restaurants und Kantinen sind nun schon seit fünf vollen Monaten geschlossen. Nach dem Weihnachts- geht Ihnen auch das Ostergeschäft verloren. Hätten Sie das gedacht?

Kirschner: Dass wir zu Ostern noch nicht öffnen werden, war mir schon klar. Ich dachte aber, dass es zumindest direkt danach wieder losgehen kann.

Stittrich: Ich war immer der Meinung, dass wir vor Juni nicht öffnen. Aber es ist bitter, Ostern und Weihnachten sind so etwas wie die Säulen der Gastronomie.

Herr Kirschner, als Caterer mit Schulspeisung und Essen auf Rädern trifft Sie die Pandemie sicher etwas weniger hart?

Kirschner: Ja, wir haben Glück, dass wir so breit aufgestellt sind. Aber die Kantine im Bauhaus, die wir betreiben, ist natürlich auch zu und der Eventbereich ist im Prinzip tot. Das bringt uns nicht um, aber es tut weh. Und wir bekommen schon Stornierungen für 2022.

Herr Gönen, Herr Stittrich, wie halten Sie sich über Wasser?

Gönen: Mein Dönerimbiss, Alibaba, ist ja geöffnet. Allerdings lässt sich dort der Wegfall der Außengastronomie über das To-go-Geschäft nicht auffangen. Wir verkaufen kaum mehr Getränke, das fehlt. Im Etmangal sind wir jetzt für Ostern mit einer eigenen App gestartet. Damit können die Gäste ein Menü zum Abholen bestellen und darüber auch bezahlen.

Stittrich: Wir haben die Aktion „Dein Lieblingskuchen“ gestartet. Da haben viele mitgemacht. Aber ein wirtschaftlicher Ausweg ist das nicht. Es dient eigentlich nur dazu, dass sich die Geräte nicht totstehen und wir im Gespräch bleiben. Es ist ziemlich traurig.

Und Lieferdienste sind kein echter Ausweg?

Stittrich: Für uns schon mal gar nicht. Ich kann kein Stück Kuchen nach Haideburg liefern. Für Unternehmen, die schon zuvor einen eigenen Lieferdienst hatten, ist die aktuelle Lage sicher gut, für alle anderen nicht.

Kirschner: Es ist auch nicht wirtschaftlich, sich da extra eine Infrastruktur aufzubauen als Restaurant. Und Dienste wie Lieferando greifen richtig in die Kasse.

Gönen: Ja, die schöpfen so viel ab, da rutscht man ins Minus.

Bringen Ihnen denn die Hilfspakete des Bundes etwas?

Kirschner: Wir bekommen keinen Cent aus irgendeinem Topf. Wir erfüllen die Voraussetzungen nicht.

Gönen: Weil Alibaba geöffnet ist, falle ich auch durchs Raster. Es hilft nur denen, die komplett zu machen. Die sind auch gut gelaunt (zwinkert Stittrich zu).

Stittrich: Es hilft halt nicht, Trübsal zu blasen. Aber ja, uns haben die Hilfspakete tatsächlich viel gebracht. Das ist natürlich eine gute Unterstützung. Gut war auch das Sofortprogramm der Stadt über 700.000 Euro (Kirschner und Gönen nicken).

Seit 6. April sind in Sachsen-Anhalt Modellprojekte möglich, setzen Sie auf diese Öffnungsperspektive?

Gönen: Ja, auf jeden Fall. Ich werde versuchen, mein Restaurant als Modellprojekt zu öffnen.

Stittrich: Leider ist das mit der Notbremse, die die Stadt wegen der hohen Inzidenzen am Montag gezogen hat, und den weiteren Kontakteinschränkungen ja nun erst einmal bis 18. April für Dessau-Roßlau gecancelt.

Das klingt alles sehr finster. Was könnte denn die Stadt tun, um ihrer Gastronomie Perspektiven zu geben?

Stittrich: Ach die Stadt kann gar nichts machen. Die sind doch in der Kette auch nur ein wenig höher als wir.

Kirschner: Die Stadt muss die Vorgaben von Bund und Ländern umsetzen.

Schön, was fordern Sie also von Bund und Land?

Kirschner: Das nicht ganz so bürokratisch agiert wird und Freiräume auch genutzt werden, um Öffnungen, in welcher Form auch immer, zu ermöglichen.

Stittrich: Vor allem braucht es auch stimmige Konzepte. Und zwar solche, die mit den Leuten aus der Gastronomie erarbeitet werden. Und: Die müssen dann auch gelten und dürfen sich nicht ständig ändern.

Allerdings belegt eine aktuelle Studie der TU Berlin, dass das Ansteckungsrisiko in Restaurants selbst bei nur fünfzigprozentiger Auslastung um ein Vielfaches höher liegt als im Theater und mehr als doppelt so hoch als im Supermarkt. Was sagen Sie dazu?

Kirschner: Ich sehe in den Restaurants schon ein erhöhtes Risiko. Viele haben sich nach meiner Wahrnehmung im vergangenen Jahr auch nicht konsequent an die eigenen Konzepte gehalten.

Stittrich: Also ich hatte über den Sommer letztes Jahr schon ein großes Gefühl der Sicherheit mit den Konzepten. Wir hatten riesige Stapel an Kontaktlisten und das Gesundheitsamt hat nicht einmal angerufen. Mit Hygienekonzepten ist das Risiko gering.

Gönen: Wir hatten ja 2020 zwischendurch wochenlang keine Infizierten, obwohl die Restaurants geöffnet waren.

Was könnte das Risiko denn noch weiter minimieren?

Gönen: Es kommt aufs Impfen an. Ein Impfpass, aber auch ein tagesaktueller Test als Voraussetzung würden Sicherheit bringen.

Stittrich: Die Luca-App, die jetzt binnen vier Wochen eingeführt werden soll, wird uns auch helfen.

Wenn sich die Lage jetzt ganz plötzlich drehen sollte ...

Stittrich: ... und die rosa Feen angeschwebt kommen und die Gäste auf Einhörnern bringen ...

Kirschner: Wenn es heißt, wir dürfen Montag öffnen, tun wir das. Egal wie. Aber es wird nicht wie vorher sein.

Gönen: Wir werden massive Personalprobleme haben. Von meinen Leuten im Etmangal sitzen schon einige an der Supermarktkasse. Ich verstehe das. Man kann nicht ewig nur zu Hause hocken. Stittrich: Ja, viele wechseln bereits die Branche und die kommen auch nicht zurück. Es ist ja nicht klar, falls wir öffnen dürfen, wann wir wieder dicht machen müssen.

Kirschner: Nach der Pandemie wird die Gastrobranche nicht mehr dieselbe sein. In der Kantinenwirtschaft verschwinden schon jetzt massig Anbieter.

Wie lange halten Sie so noch durch?

Stittrich: Wenn dieses Jahr alles komplett dicht bleibt, werden viele aufgeben.

(mz)