Dessauer Denkmal Dessauer Denkmal: Neuer Wasserturm hat seine Spitze wieder
Dessau/MZ - 63,50 Meter. Um 9.20 Uhr hat am Dienstagvormittag das Wahrzeichen im Dessauer Süden wieder seine angestammte, stolze Höhe erlangt. Und sich mit der 19 Meter hohen Laterne quasi neu krönen lassen: Der Wasserturm am Lutherplatz trägt seine rekonstruierte, silbern schimmernde Spitze. Und reckt noch höher über der sonnengelben Kugel einen schmiedeeisernen Stab in den Himmel. Laut historischen Quellen wehte hier einst noch eine Wetterfahne.
Jene wiederum hätte auch am Dienstagvormittag noch nützliche Dienste leisten können. „Pffhh, das war wirklich knapp“, die Männerrunde wirft einander wissende Blicke zu. Dass der Wind derart auffrischt, war nicht erwartet worden. „Aber er bläst steif aus Osten“, weist Hans Tobler auf die Abgasfahne vom Stadtwerke-Kraftwerk. Deren weiße Wolke schlängelt sich nicht etwa himmelwärts, sondern verlässt den Schornstein schnurgerade rechtwinklig. Schon für das bloße Auge „in straffem Tempo“.
In den Böen erreichte der Wind bis zu 10 Metern pro Sekunde. Meeresanwohner sprechen da schon von einer „frischen Brise“, Nautiker messen die Windstärke in 5 Beaufort und Seeleute sehen andauernd Schaumkronen auf mäßig bewegter See. Für das zum Wiederaufsetzen der Wasserturm-Laterne versammelte Team aber steht die gesamte Aktion „haarscharf auf der Kippe“. Der Kran, der eine 15 Tonnen schwere Last in diesem Winkel (25 Meter zwischen Drehkranz und Turmmitte) an den Platz hievt, arbeitet bei Wind bis zu neun Metern pro Sekunde. „Wir haben am Morgen ernsthaft daran gedacht, die Sache abzublasen“, sagt Steffen Rathaj von der Thömen Spedition für Kran-und Schwer-transportlogistik aus Leipzig.
Doch dann hat sich ein kurzes Zeitfenster geöffnet, in dem die frische zur leichten Brise abflaute. Kurz nach 9 Uhr hebt der riesige Autodrehkran, der maximal bis zu 400 Tonnen bewegen kann, seine zwar schwere, aber diesmal mit Umgangsgeländer, verzierten Stäben, Säulen und Türmchen vor allem reichlich sperrige Last an.
Wie auf Kommando legen die Umstehenden ihre Köpfe in den Nacken. Auf dem Lutherplatz haben sich neben den direkt Beteiligten, Vertretern der Firmen mit Gewerken vom Holzbau, Zimmerei, Dachdecker und Metallbauer, auch jede Menge Passanten und Anwohner eingefunden. Und sehen über ihren hochgeschlagenen Kragen und rotgefrorenen Nasen die Laterne zurück zu ihrem Platz auf dem „Turmhelm“ schweben. Die Tauben, die sich im Wasserturm eingenistet hatten und immer wieder Einschlupflöcher fanden, verlassen fluchtartig ihr Domizil.
Kaum hörbar setzt die 15-Tonnen-Fracht auf dem Turm auf. Jetzt gehen „die Schrauber“ ans Werk. Insgesamt 294 Verbindungen mit Hülsen und Bolzen sind anzuziehen. Rundum an dem achteckig-oktagonalen Grundriss mit 16 Metern Durchmesser.
„Die erste Lasche sitzt und passt“, strahlt Architekt Detlef Münnich, als er die Botschaft aus dem Turminneren per i-Phone erhält. Neben zwei Schlossern von der Firma Bense aus Vockerode ist auch Projektingenieur und Statiker Jens Kräupl von ASP Dessau mit oben. Wenn die Hälfte der Schrauben befestigt ist, können die Hebeseile ausgehängt werden. Dabei kommen Fassadenkletterer zum Einsatz, um die Halte-Traversen wieder von der Laterne zu demontieren. Und die Löcher zu schließen. Auf der Laterne mit vorbewittertem Titanzinkblech. Dieses Material gleißt nicht hell wie Aluminium, sondern verleiht die Noblesse von Alter und Historie. Eben wie es einem Wahrzeichen gebührt.