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Mysteriöser Todesfall bei Dessau Dessau: Werner Spieß - ein Tod voller Rätsel

Von Lisa Garn 04.12.2016, 07:15
Am 23. August 1966 verunglückte er bei einem Unfall auf der A9 bei Dessau.
Am 23. August 1966 verunglückte er bei einem Unfall auf der A9 bei Dessau. Archiv

Dessau/Berlin - Der Aufruf hatte großes Interesse geweckt: Nach über 50 Jahren sucht eine Enkelin Zeugen zu den mysteriösen Todesumständen ihres Großvaters, der auf der Autobahn bei Dessau schwer verunglückt war. Eingegangen sind nun einige Hinweise und auch Bilder ihres Opas.

„Ein Studienkollege von damals hat sich gemeldet und erzählte, dass er oft an ihn gedacht hatte“, sagt die 37-jährige Berlinerin Linda Spieß, die ihren richtigen Vornamen mit Rücksicht auf ihren Beruf nicht nennen will.

„Er erinnerte sich auch, dass mein Großvater gut zeichnen konnte. Und er schickte alte Aufnahmen aus den 1950er Jahren, auf denen mein Großvater als junger Mann zu sehen ist. Er war tatsächlich 1,99 Meter groß. Es ist schon berührend, ihn zu sehen.“ Andere Anrufer hatten Anmerkungen, in welche Richtung noch recherchiert werden könnte oder berichteten von eigenen Erlebnissen.

Werner Spieß: Ein Tod voller Rätsel

Am 23. August 1966 verunglückte der 46-jährige Werner Spieß in der Nacht mit seinem Motorroller auf dem Weg von Zinnowitz ins thüringische Sondershausen. Auf der Autobahn zwischen Dessau-Ost und Dessau-Süd liefen plötzlich Hunde auf die Fahrbahn, Spieß musste ausweichen und stieß mit einem Fahrzeug zusammen.

Das berichten zwei Zeitungen übereinstimmend, machen allerdings unterschiedliche Angaben zum Fahrzeug: In einem Medium ist von einem Westberliner Reisebus die Rede, mit dem Werner Spieß zusammenstieß. In dem anderen wird von einem einfachen Pkw gesprochen.

Werner Spieß, Lehrer in Sondershausen, verheiratet und Vater von drei Kindern, starb drei Wochen später im Bezirkskrankenhaus in Dessau. Ein Schädel-Hirn-Trauma hatte die Klinik als Todesursache angegeben, so hat es die Enkelin im Stadtarchiv herausgefunden.

Doch über die Todesumstände und den Verbleib des Leichnams blieb die Familie trotz Nachfragen damals wochenlang im Unklaren. Am 3. Oktober 1966 sollte sie plötzlich die Urne auf dem Friedhof in Sonderhausen abholen, dabei hatte niemand sein Einverständnis für eine Einäscherung gegeben.

Zahlreiche Unterlagen zum Unfall sind nicht mehr aufzutreiben

Werner Spieß’ Tod belastet die Familie bis heute. Wegen all der Merkwürdigkeiten und dem Gefühl von Heimlichtuerei. Zu viele Fragen blieben offen. Mit der Polizeidirektion in Dessau hatte Linda Spieß gesprochen, sich mit den Archiven in Sachsen-Anhalt und in der Stadt in Verbindung gesetzt, ebenso mit dem Krankenhaus in Alten. Sogar mit einem Gerichtsmediziner in Halle hatte die Enkelin einen Termin. Umfassende Unterlagen waren nicht mehr aufzutreiben. Sie hat ebenso einen Antrag auf Akteneinsicht bei der Stasiunterlagen-Behörde gestellt.

Die Unklarheit über Jahre hatte in der Familie Vermutungen verfestigt. Bis heute hält sich das Gerücht, dass die Hunde auf der Fahrbahn damals zu einem nahe gelegenen Turm gehört haben, der mit Stasi-Aktivitäten in Verbindung gebracht worden sein soll. Dafür wurden bisher aber keine Hinweise gefunden. Die Polizeidirektion in Dessau geht anhand der Unterlagen der Enkelin von einem Verkehrsunfall aus.

Zahlreiche Anrufer berichten von ähnlichen Vorfällen und Merkwürdigkeiten

Hinweise gab es zu dem Zeugenaufruf der Enkelin nach 50 Jahren dennoch einige. Ein Anrufer fühlte sich an eigene unangenehme Erlebnisse erinnert und wies auf viele sowjetische Stützpunkte hin, erzählt Linda Spieß.

Dort habe es regen Verkehr und einige Unfälle gegeben. Er sei selbst bei einem dabei gewesen und nach eigenen Angaben mit der Waffe bedroht worden, den Unfallort schnell zu verlassen. „Ein anderer Anrufer hat mit seinem Sozius Repressionen erlebt, nachdem er in einen Motorrad-Unfall mit einem Stasioffizier verwickelt war.“

Dieser Mann habe auch erzählt, dass Autobahnen damals besonders bewacht worden seien, um Treffen zwischen Ost und West auf Parkplätzen zu verhindern. Ein weiterer, der sich meldete, wollte über Bekannte nachfragen lassen, ob damals bei dem Forsthaus an der A9 etwas vom Unfall oder Nachforschungen bekanntwurde.

Ohne echte Zeugen eine schwierige Recherche

Konkrete Hinweise gibt es nicht. „Aber Vorschläge, wo man nachfragen könnte“, sagt Linda Spieß. Sie will beispielsweise versuchen, die Personalakte ihres Großvaters vom Schulamt einzusehen. Weil es aber fast keine Unterlagen gibt, ist die weitere Recherche schwierig.

„Grundsätzlich fehlt es an namentlichen Angaben zu Unfallbeteiligten, was die Suche nach alten Akten aussichtslos macht“, sagt die Enkelin. „Dabei geht es nicht darum, Verantwortliche zu ermitteln, sondern die an der Familie nagenden Fragen beantwortet zu bekommen und die belastende Ungewissheit zu beenden.“ Auch deshalb sichert Linda Spieß Auskunftgebern Vertraulichkeit zu. (mz)

Linda Spieß bittet Personen, die Hinweise haben, sich unter Tel.: 030/70 08 23 79 und per Mail an [email protected]. zu melden.

Das letzte Foto von Werner Spieß im Frühjahr 1966. Am 23. August verunglückte er auf der Autobahn zwischen den Anschlussstellen.
Das letzte Foto von Werner Spieß im Frühjahr 1966. Am 23. August verunglückte er auf der Autobahn zwischen den Anschlussstellen.
Thomas Ruttke/privat
Werner Spieß bei seinem letzten Urlaub mit der Familie  auf der Insel Poel.
Werner Spieß bei seinem letzten Urlaub mit der Familie  auf der Insel Poel.
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