Dessau-Roßlau Dessau-Roßlau: Wind und Sonne statt Strom aus Atom
DESSAU/MZ. - Irgendwann wurde es hitzig am Donnerstagabend im Stadtpark. Was aber weniger an den Temperaturen, als vielmehr an der Diskussion um dezentrale oder zentrale Energieerzeugung lag. Burkhard Petersen vom Anti-Atombündnis Dessau sah enorme Vorteile in der dezentralen, also der regionalen Energieerzeugung. "Damit wäre kein riesiger Netzausbau nötig", argumentierte der Energiefachmann. Hans Tobler, Geschäftsführer der Dessauer Verkehrs- und Versorgungsgesellschaft (DVV), widersprach dem vehement: "Wir müssen die Energie dort erzeugen, wo es am effizientesten ist, also Windkraft in Großbritannien und Photovoltaik in Spanien. Nicht jedes Dessauer Dach braucht eine Photovoltaikanlage", so der DVV-Geschäftsführer.
Mit einem sowohl als auch versuchte Elke Mohrbach vom Umweltbundesamt zwischen den Positionen zu vermitteln. "Der europäische Markt ist ein wichtiges Instrument, aber die Photovoltaikanlage auf dem Schuldach macht was mit den Menschen", resümieret Mohrbach. Schließlich stehe so eine Anlage als Symbol für die viel zitierte Energiewende. Am Ende dieses langen Prozesses soll Strom aus Atomkraftwerken vollständig durch erneuerbare Energien ersetzt werden.
Unter dem Motto "Unser Strom - ohne Atom" hatte das Dessauer Anti-Atombündnis am Donnerstagabend in den Stadtpark geladen und erörterte mit Tobler und Mohrbach die Frage: Wechseln oder nicht wechseln, und wenn, wohin? Das Reaktorunglück im japanischen Fukushima im März hat vieles verändert und manches beschleunigt. Nach einer ursprünglichen Laufzeitverlängerung für deutsche Atommeiler hat die Bundesregierung binnen kürzester Zeit ein Gesetz zum schnelleren Ausstieg beschlossen.
Otto-Normalverbraucher kann seinen persönlich gefühlten Ausstieg mit Ökostrom-Tarifen beschleunigen. Die Dessauer Stadtwerke bieten dafür ihren Tarif "Dessau-Strom-Natur" an. Seit diesem Frühjahr trägt dieser das "Ok-Power-Siegel", welches die Herkunft aus Quellen erneuerbarer Energien bestätigt. Strom aus Wasserkraft, vor allem aus Norwegen, steckt dahinter.
Um Etikettenschwindel vorzubeugen, baut das Umweltbundesamt derzeit ein Herkunftsnachweisregister auf. Die damit verbundenen Herkunftsnachweise belegen die Herkunft des Ökostroms mit genauer Angabe der produzierenden Anlage und der Zeit der Einspeisung. Anders als zum Beispiel an der Leipziger Strombörse gehandelter Strom wird zertifizierter Öko- oder Grünstrom aus erneuerbaren Energien vom Produzenten direkt vermarktet. Die Vermengung an der Strombörse entfällt damit. "Unser Naturstrom kostet einen Cent mehr gegenüber dem Tarif Familienstrom", erklärte Tobler. 154 Privathaushalte und sechs Gewerbekunden haben diesen Tarif bisher in Anspruch genommen. Bei insgesamt 28 000 Haushalten in der Doppelstadt gibt es da noch Luft nach oben. Freilich ist nicht jeder Haushalt Stromkunde der Stadtwerke. Von 230 Mitbewerbern auf dem Dessau-Roßlauer Strommarkt berichtete Tobler.
Diesen einen Cent mehr pro Kilowattstunde wollen die hiesigen Stadtwerke in den Aufbau alternativer Energien in der Stadt investieren. Erwartungen an eine riesige zentrale Photovoltaikanlage im Stadtgebiet bremste Tobler gleich wieder ein. Erste Schritte seien vielmehr Projekte wie eine Biogasanlage auf dem Scherbelberg.
Ob damit die Forderungen des Anti-Atombündnisse Dessau nach komplett atomfreiem Strom der Stadtwerke bis zum Jahr 2020 erfüllt werden, blieb offen. Rund ein Drittel der jährlich verkauften Energiemenge muss zugekauft werden. Durch den Zukauf von Strom verharrt der Atomstrom-Anteil der Stadtwerke im niedrigen einstelligen Prozentbereich. Um diesen langfristig weiter zu senken, sieht Tobler die Lösung im Naturstrom, dem Ausbau erneuerbarer Energien und vor allem im Stromsparen.