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Dessau-Roßlau Dessau-Roßlau: Türen öffnen sich zur Kinderstadt

Von SILVIA BÜRKMANN 04.08.2011, 17:03

DESSAU-ROSSLAU/MZ. - Der breite Platz vor der Pestalozzi-Schule in der Steneschen Straße ist schon eine Viertelstunde vor 10 dicht umlagert. Kinder drängen sich Schulter an Schulter aneinander: Noch 15 Minuten bis ... nein, nicht nach Buffalo soll es gehen, sondern nach Dessopolis. Über den Köpfen prangt das gemalte Ortseingangsschild zu der auf Schulhof und Sportplatz errichteten Kinderstadt.

Über einen Seiteneingang schlüpft schon eine Hand voll Leute an das letzte Stadttor vor dem Zugang zum Marktplatz. Die Gäste aus Magdeburg und vom Rathaus kommen als "Offizielle", die hier in Dessopolis wenig offiziell sind. Sondern vor allem neugierig: Wie erleben Kinder zwischen 7 und 14 Jahren demokratische Mitbestimmung im komplexen Gewebe von Arbeit, Produktion, Lohn, Verkauf, Freizeit, Kultur und Konsum, welche eigenen Strategien entwickeln sie zur Problemlösung bei Störungen und "Webfehlern"?

Und nachdem Gerd Keutel, Kinderbeauftragter von Sachsen-Anhalt, neben Heiko Bergt vom veranstaltenden Punkt-Verein dann gemeinsam mit Dessau-Roßlaus Sozialdezernenten Gerd Raschpichler und Jugendamtsleiter Heike Förster das letzte trennende Band zerschnitten haben, erobern die Kinder im Sturm ihre Stadt. Über 300 Kinder kommen am ersten Tag.

"Türen öffnen sich zur Stadt. Wo es tausend Straßen hat. Nicht jede ist leicht zu spazier'n. Jede wird Dich ein Stück vorwärtsführ'n", der Puhdys-Song setzt sich angesichts des Trubels sofort als Ohrwurm fest. Dreieinhalb Jahrzehnte alt? Egal. "Wie organisieren Kinder demokratisch-funktionierenden Alltag in ihrer Stadt? Spielend und lernend - das ist wirklich interessant" und Heike Förster gespannt. Türen öffnen sich zur Stadt.

Und da ziehen die rund um den Markt aufgebauten Stationen sofort die jungen Bürger von Dessopolis an. Wie magisch angezogen werden die Kinder von den Echsen, Schlangen, Gespenstheuschrecken, Fröschen und exotischen Rosenkäfern in den Terrarien. Jasmin, Bastian und Maxi träumen sofort vom Beruf des Tierpflegers und melden sich bei den Leipziger Fachleuten Robin Voigt und Nicole Naumann vom Betreuer-Stab in der Zoo-Akademie an.

Arbeitsangebote offerieren auch die benachbarte Holzwerkstatt in der Bauhütte, die Stadtreinigung und der Solarbetrieb. Hier warten Daniela Claus (27) und Martina Reimers - beide Schulsozialarbeiterinnen in Diensten der St. Johannis GmbH - erstmals dringend auf Reiniger, die das Wohnungsfenster putzen und für den Sonnenschein aufpolieren. "Und dann könnte unsere Solarwerkstatt auch mal einen Farbanstrich auf dem Holz vertragen." Hier haben Kinder die Möglichkeit, eine Photovoltaik-Platte zu installieren und kleine elektrische Effekte hervorzurufen.

Nebenan hat das Rathaus von Dessopolis elf freie Stellen zu besetzen. Am Freitag hat das Wahlamt gut zu tun mit der Wahl des Bürgermeisters und des Stadtrates, berichten die gleichfalls von St. Johannis freigestellten Helfer Claudia Ritter und Jochen Böhme. Daneben öffnen Kaufhaus, Post, Druckerei, Apotheke, Bank, Gärtnerei, Schönheitssalon und Kerzenzieherwerkstatt pünktlich ihre Türen. Zum ersten Mal haben Milembe Rudloff (22) und Wiebke Hennig die Arbeiten von Papiermachern im Angebot. Und peu à peu greift in der Kinderstadt Dessopolis ein Rädchen ins andere. Vivian (10) und Viviane (11), die baldigen Fünftklässler und Reporter der Stadtzeitung "Desso News" schreiben an ihrem ersten Artikel: "Also, die Kornnatter, die kommt aus Nordamerika. Nach Dessopolis."