Dessau-Roßlau Dessau-Roßlau: Rossel schwillt erneut an zum kraftvollen Strom
ROSSLAU/MZ. - Es mutet an wie ein Déjà-vu. Die Bundesstraße 187 endet schon an ihrem Anfang auf der Elbbrückenkreuzung. Für Ortsfremde eine lange Umleitung durch die Winkel des Städtchens, für Einheimische winzige Schleichwege. Und dort, wo sich für gewöhnlich Autoschlangen langziehen, queren Männer in weithin leuchtenden Uniformen die Fahrbahn, reihen sich Laster auf, werden Materialien abgelagert. Die Südstraße in Roßlau ist zu. Wie 2006. Wie 2002. Als die Rossel im Gefolge von Elbe-Hochwassern einen neuen Weg nahm. Zuerst in Keller, Gärten und Erdgeschosse der Roßlauer Altstadt, dann über Pumpen, Rohre und Schläuche der vereinten Katastrophenschutz-Einsatzkräfte quer über die Südstraße (B 187) in Richtung Elbe und Elbwiesen.
Die Südstraße also ist wieder gesperrt. Belebt ist sie trotzdem. Die Berufsfeuerwehr Dessau-Roßlau hat Einsatzleiter Reiner Wehrmann ans nördliche Elbufer geschickt, die Freiwillige Feierwehr Roßlau 16 Kameraden vor Ort gerufen. Am Vortag hatte der Katastrophenschutzstab der Stadt Dessau-Roßlau verfügt, alle Vorbereitungen für das Rossel-Abpumpen und das Verfüllen des Durchlasses zu treffen. Ab 9 Uhr nehmen die Gewerke ihre Arbeit auf. Thauer Transporte liefert Steine und Schotter an, Elektrofirma Flechzig nimmt die Stromversorgung ins Visier. Schöters Pumpentechnik bringt zwei großen Pumpen. "Groß? Das sind die größten der transportablen, elektrisch betriebenen Pumpen", korrigiert René Klaffke den Laien grinsend. Diese Aggregate können stündlich 1 100 Kubikmeter Wasser pumpen.
Ein Riese für ein von Natur aus kleines Bächlein Rossel? Andreas Thauer schüttelt ernst den Kopf. "Man unterschätzt leicht die Kraft und den Druck der Rossel." Thauer hat bei den vorherigen Einsätzen gesehen, dass man dieser Wasserkraft nicht etwa begegnen kann mit Absperrungen aus Stahlblechen. "Als wir 2002 die erste Fuhre versenken wollten, sind uns die Steine fast um die Ohren geflogen."
Auch die Passanten sperren Augen und Ohren weit auf. "Kommt denn noch mehr Wasser", will Marina Martin wissen, die mit dem Husky-Schäferhund-Mix eine Runde dreht. Ihr Hausgärtchen Am Schloßgarten ist längst geflutet. Auch Wolfgang Back und Reinhard Lietsch kennen seit langem die gewaltigen Tücken des kleinen Flüsschens, was sein Wasser nicht mehr in der Elbe abladen kann und zusehens aufwächst. "In etwa wie 2006, aber nicht so schlimm wie 2002 wird es", meinen die beiden Männer. Otto Pötzsch vom hiesigen Schifferverein und Henry Brüsch haben sich zwischenzeitlich aktuell im Internet über die Elbe-Pegelstände informiert. "Torgau steht schon, Wittenberg legt nur noch einen Zentimeter zu. Und von Dresden oben kam schon am Dienstag nichts mehr runter. Jetzt noch der Scheitel und dann passiert hier nichts mehr", meint Schiffer Otto Pötzsch. Er klingt recht überzeugt. Um noch laut auszurufen: "Um hier Sicherheit zu schaffen, brauchen wir endlich das Rossel-Sperrwerk."
Auf dieses Stichwort hin muss Ortsbürgermeisterin Christa Müller, die sich unter die Arbeiter und Feuerwehrleute gemischt hat, an sich halten. "Ich habe ja die Nase so was von voll", schnaubt die sonst so bedächtige Kommunalpolitikerin wütend. "Von Jahr zu Jahr werden wir mit den immer gleichen Worten vertröstet. Kein Geld. Aber welch riesiger Kostenaufwand hier aufgebracht werden muss!" Sie ist entschlossen: "Jetzt können wir nicht länger stillhalten."
Still ist es längst nicht mehr unter im Rossel-Flussbett. Dirk Jakowski, Frank Obst und Torsten Käbisch steuern das Schlauchboot für die Feuerwehr am Durchlass zwischen Stadt und Burg zum tiefsten Punkt. Von hier sollen die großen Pumpen die zulaufenden Wassermengen über die Straße zum Burggraben drücken.
Im Katastrophenschutzstab der Stadt Dessau-Roßlau in der Innsbrucker Straße wird aktuell beraten. Um 14 Uhr entscheiden die Katastrophenschützer, unterstützt und beraten vom Landesamt für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft, bei den aktuellen Wasserständen die Rossel vorerst nicht umzupumpen. Die installierte Technik aber vorsorglich einsatzbereit zu halten. War die Übung nun erfolgreich? Am Mittwoch wird neu entschieden.