Dessau-Roßlau Dessau-Roßlau: Leben im Rollenwechsel
dessau/MZ. - Als Kröte in "Das Rübchen" begann Hans-Jürgen Müller-Hohensee vor 40 Jahren im Theater Junge Garde Halle seine Laufbahn. Auf das Jubiläum folgt der Vorhang, der Vorruhestand inmitten der kommenden Spielzeit. Einiges steht noch an, der "Tatort", das Weihnachtsmärchen und "Der Kirschgarten" von Anton Tschechow. Den alten Firs wird er geben zum Schluss. Was für ein Abgang! "40 Jahre klingt viel." Müller-Hohensee schnalzt mit den Fingern: "Eigentlich ist es nur ein Klacks.". Wenn ein Clown geht, verhakt sich das Lachen in der kurzen Endlichkeit.
In der Pause: Rolf Hoppe
Ja, Clown im Zirkus hätte er werden wollen, oder Koch. Zur See fahren? Unbedingt. Bäcker wurde er und Konditor, der 1950 in Dresden geborene Sohn eines Schuhmachers. Die Schule lag direkt neben dem Kleinen Haus. In den Pausen waren die Schauspieler zu sehen, im Hof über Textbüchern sitzend, sogar Rolf Hoppe.
Eigentlich wollte er schon immer Schauspieler werden. Entfernt vom Dresdener Dialekt studierte er in Rostock. 1972 ging er nach Halle. 200 Vorstellungen im Jahr: "Das war meins". 1975 schon kam Müller-Hohensee nach Dessau, es folgte das Erich-Weinert-Ensemble Berlin. Nach ersten Film- und Fernsehauftritten endete ein Versuch, freischaffend zu arbeiten, in der Tomatenernte. 1982 ging er nach Quedlinburg, 1984 nach Dessau, endgültig bisher. Nun ja, vielleicht ziehe er später doch noch ans Meer. Aber vorher gebe es vielleicht noch einiges zu tun, bei Film und Fernsehen oder im Kriminaltheater Berlin und bei Bedarf auch am Anhaltischen Theater.
"Ich bin altmodisch, möchte das Stück dort haben, wo es angesiedelt ist", sagt Müller-Hohensee und: "Ich darf keine Rolle verraten", oder: "Der Zuschauer soll lachen, nicht der Clown". In der ersten Probe, da sei er ein Baby, "laufen lernen, denken lernen, sich nicht selber spielen". Auch das Kostüm wolle er erst kurz vor der Premiere anlegen. Das gebe den Kick. Überhaupt. "Ich sitze", sagt er, "gerne in der Maske". Man denke an die echte Glatze, die Krone, die in die Platte geschraubt schien, und das den Körperbau in Hilflosigkeit versetzende Nacktkostüm in "Des Kaisers neue Kleider". Aber wo anfangen, beim "Polizeiruf 110", beim, zum Leidwesen seiner Mutter, gespielten, fiesen Unteroffizier im Defa-Film "Ernst Schneller", beim Schwank mit Hans-Joachim Preil, beim "bronzenen Gaudimax", im "Studio 30", bei seinen Märchen-Inszenierungen? Der miese Typ, der Märchenmann, der traurige Clown. "Wer hat das Glück", so Müller-Hohensee, "zweihundert mal jemand anderes sein zu dürfen?". Und natürlich muss hier "Der Geizige" wenigstens genannt sein: Standing Ovations für Harpagon. Oder die Anekdoten. "Die Bühne ist ein gefährlicher Ort", sagt er. Das Pferd scheute in Thale, Rippenbrühe und weiter. Weiter auch, als der Degen statt im Geldsack im Gaumen steckte, während des Studiums, als Sebastian in "Was ihr wollt". Blut floss, ein Schnaps - weiter. Nur: "Hansi küsst heut nicht".
Heute ist gestern
Inzwischen küsst er wieder, auch Staubsauger ("Tolles Geld"). Und heute ist gestern. Er wisse schon wie er laufe, als Firs, im Kirschgarten. "Alte Menschen rollen nicht ab, um die Balance zu halten." Steine im Schuh sollen ihn wie Bruce Willis an den Gang erinnern. "Das Tolle ist, dass alle weggehen, dass sie ihn vergessen", sagt Müller-Hohensee. Toll? Ja, sie vergessen den alten Diener. Die Türen sind verschlossen. Der Kirschgarten wird abgeholzt. "Das Leben ist nun hin … als ob man gar nicht gelebt hätte", sagt Firs, legt sich und letztlich: "Ach, du … alter Schlappmichel …" Die letzte Regieanweisung: "Liegt unbeweglich da." Alles Theater, das ganze Leben, 40 Jahre und hoffentlich lange noch.