Dessau-Roßlau Dessau-Roßlau: Konkurrenz zum Sandsack ist groß
DESSAU-ROSSLAU/MZ. - "500 Meter Deichschutzwand, eineinhalb Stunden Aufbauzeit mit 25 Mann" - die Formel ist kurz und schildert prägnant die Vorteile des Hochwasserschutzsystems einer norwegischen Firma, die seit drei Jahren auf dem Markt ist. In Schweden werde es mittlerweile eingesetzt, auch kürzlich in den US-Bundesstaaten Washington und Dakota. "Wir haben inzwischen viel Anerkennung bekommen", sagt Michael Czernetzki, Direktor der Europa-Zentrale der Firma AquaFence, über das von der TU Harburg zertifizierte System. Auch in Deutschland ist das mobile und als besonders stabil geltende Deich-System bekannt, nur wurde es hier noch nicht gekauft, bedauert er. Das könnte sich ändern.
In einer Hochwasserschutzübung haben am Freitag und Sonnabend rund 100 Mitglieder acht sachsen-anhaltischer Ortsverbände des Technischen Hilfswerkes und eine Gruppe polnischer Feuerwehrleute eine Reihe von mobilen Deichschutzsystemen getestet. Das Training unter dem Motto "Helfen ohne Grenzen" wurde von der Europäischen Union gefördert. "Diese Übung hat unsere Erwartungen übertroffen", zieht am Ende der Einsatzverantwortliche Lutz Löwe ein Resümee. Der Einsatz habe aber auch gezeigt, dass der traditionelle Sandsack bei Hochwasserkatastrophen nicht ausgedient hat und dass es auch keinen 100-prozentigen Schutz gegen Hochwasser geben wird. "Es ist beeindruckend, was sich auf dem Markt seit der letzten Hochwasserkatastrophe in Deutschland entwickelt hat", meinte Löwe.
Gleich mehrere Hersteller aus Deutschland, Norwegen und der Schweiz ließen ihre Produkte vom Technischen Hilfswerk testen. Eine Stunde hatten die Gruppen Zeit, um so genannte Big Packs mit Sand zu füllen. Mit Hilfe eines Mischers geht das in Windeseile. Ein Kubikmeter passt in jedes Behältnis, das vor allem bei der Schließung von Deichscharten eingesetzt werden kann. Doch für lange Schutzstrecken ist das System weniger geeignet. Die Helfer hätten eine logistische Herausforderung zu bewältigen, denn Unmengen Sand müssten herangekarrt werden und das Gelände dürfte dem Druck schwerer Technik nicht nachgeben.
Relativ leicht wirkt, was am Sonnabend Helfer aus Merseburg an einem Schweizer System demonstrieren. Rund 15 Meter lange stabile Segmente werden mit Luft befüllt und in die gewünschte Position gebracht. Anschließend werden die Schläuche mit Wasser befüllt. Die Dämmelemente können mittels eines Manschetten-Systems verbunden werden. Somit entsteht ein beliebig langer Deich, der in seiner Höhe variabel ist.
Während eine Reihe von Dessauer Kameraden schwitzen beim Sandsackbefüllen, sieht vergleichsweise einfach aus, was der THW-Ortsverband München-Ost zwei Jahre lang mit der dortigen Universität testete und auf dem ehemaligen Wasserübungsplatz der Bundeswehr vorstellte. Unter den THW-Helfern erhält das System schnell einen Namen. Sie reden von dem "Endlosdarm" oder "Riesen Bockwurst", die mit Sand befüllt wird. Der personelle Aufwand ist gering, Technik unabdingbar. Ein rund 100 Meter und eindreiviertel Meter hoher Schutzdamm könnte in rund achteinhalb Stunden aufgebaut werden. Rund 10 000 Sandsäcke würden alternativ für ein solches Bauwerk benötigt. Sechs Helfer müssten insgesamt 70 Arbeitsstunden investieren. "Unsere Lösung ist leicht handhabbar", meint Ernst Meister, Chef der Münchner Gruppe. Die Hauptarbeit übernimmt ein Radlader, in dessen Schaufel eine Förderschnecke eingebaut ist. Schnell sind so die Schläuche befüllt.
"Das ist schon einmalig, dass wir unterschiedliche Systeme auf einen Schlag testen konnten", meinte Jan Krüger vom Dessauer Ortsverband. Die Übung sei auf jeden Fall eine Bereicherung gewesen und letztlich kam die Kameradschaft nicht zu kurz.
Das Training des Technischen Hilfswerkes dürfte aber auch den Katastrophenschutzverantwortlichen der Region eine Entscheidungshilfe gewesen sein. "Einen Werbekatalog anzuschauen ist etwas anderes als eine Praxiserprobung", meinte Löwe. Viele stimmten ihm zu.