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Dessau-Roßlau Dessau-Roßlau: Kaffeefahrt mit zu vielen Versprechen

Von STEFFEN BRACHERT 09.09.2010, 18:26

DESSAU-ROSSLAU/MZ. - Der letzte Satz will Vertrauen erwecken. "Wir halten, was wir versprechen", schreibt Inge Berben. "Darauf mein Wort." Falls es Inge Berben überhaupt gibt, sollte man auf ihr Wort aber nicht all zu viel geben. Berben steht stellvertretend für die Firma Superplus Reisen UG in Barleben, die in Dessau-Roßlau gerade Werbung macht für Kaffeefahrten zur neuen, großen Baustelle des Flughafens Berlin-Schönefeld.

Wer mitfährt, wird nicht nur kostenlos befördert, sondern wird noch mit einem schmackhaften Frühstück und Mittagessen, zwei sieben Pfund schweren Lebensmittel-Testpaketen und einem Laptop gelockt. All das ist - natürlich - kostenlos. Die Teilnahme an der "Vorführung von Reise-Messe-Neuheiten mit Top-Angebot" wird zwar freigestellt. Doch dass dieser Programmpunkt der wichtigste ist, wissen Kritiker solcher Touren.

Hans-Peter Rösch hatte die Einladung zur Kaffeefahrt vorige Woche im Briefkasten. Fünf Haltestellen sind für den 28. September in Dessau geplant. "Meine Reaktion in solchen Fällen ist das sofortige Vernichten dieser Post", sagt der Dessauer. "Leider gibt es unter den Älteren immer noch viele gutgläubige Menschen, die auf solche unseriösen Angebote hereinfallen." Die will Rösch warnen.

Verschickt werden die Kaffeefahrt-Einladungen von der Firma Superplus Reisen UG, die im April 2010 beim Amtsgericht Stendal angemeldet wurde und als Firmensitz die Steinfeldstraße 3 in Barleben angibt. Kurioserweise ist das der Sitz des Innovations- und Gründerzentrums Magdeburg, das 1991 gegründet wurde und bei dem die Stadt Magdeburg, die Stadtsparkasse Magdeburg, die IHK Magdeburg und die Universität Magdeburg Gesellschafter sind. Laut Eigenwerbung bietet es "Existenzgründern, wissenschaftlichen Einrichtungen und mittelständischen Unternehmen die Möglichkeit, Produktideen zur Marktreife zu führen". Dass dieses Ziel mit der Firma Superplus Reisen UG nicht zusammenpasst, wurde spätestens offensichtlich, als vor 14 Tagen die Polizei vorbeischaute.

"Wir sind dabei, Klage einzureichen wegen Rufschädigung", sagte Jürgen Ude, Geschäftsführer des Innovations- und Gründerzentrums Magdeburg, das auf 16 000 Quadratmetern etwa 70 Firmen beherbergt. "Die ganze Sache ist uns sehr unangenehm. Doch uns war bei der Vermietung nicht klar, um was für eine Firma es sich handelt." Man arbeite an der Trennung - und habe schon verhindert, dass sich mit der 1aStrom UG eine weitere Firma des gleichen Geschäftsführers vor Ort ansiedele. Im Internet wird auch diese in der Steinfeldstraße 3 in Barleben geführt.

Viele ähnliche Firmen

Was an der Firma Superplus Reisen UG auffällt, ist das geringe Stammkapital der Unternehmergesellschaft. Es beträgt 301 Euro. Was merkwürdig ist, ist zudem der Geschäftsführer. Nach Informationen des Lahn-Dill-Kreises, der - deutschlandweit einmalig - eine Warnliste für unseriöse Kaffeefahrten-Anbieter betreibt, ist der Mann auch Chef der Superplus Reisen UG mit Sitz in Stuhr bei Bremen, der Jasmin-Touristik UG, der Europlus 24 UG und der Kaiserplus Reisen UG. Alle haben in den Jahren 2009 und 2010 tausende "Gewinnmitteilungen" verschickt. Im Internet kursieren hunderte Warnungen vor diesen Firmen, die alle ein Ziel haben: vor allem Rentner zu Verkaufsveranstaltungen zu locken, bei denen völlig überteuerte Waren angeboten werden.

Die Geschenke-Versprechen sind groß - und so formuliert, dass diese nicht gehalten werden müssen. Da entpuppt sich ein 50-teiliges Haushalts-Set schon mal als ein Päckchen Streichhölzer. Da ist das versprochene halbe Schwein aus Marzipan und wiegt 100 Gramm. Da wird ein Wäschetrockner zur Wäscheleine. Manch einer kennt das als Hochzeitsspiel.

Im konkreten Dessauer Fall steht in der Betreff-Zeile "Letzter Termin zur Auszahlung des 3. Preise 2 000 Euro in Bar". Als Gewinner wird Hans-Peter Rösch genannt, der aber - so der kleine, entscheidende Zusatz - nur als Rubbellosgewinner "nominiert" ist. Das allerdings steht so klein daneben, das es kaum lesbar ist. Als Dankeschöne gibt es für alle Paare einen Computer-Laptop gratis. Wer aufmerksam liest, wird merken: Es gibt nicht für jedes Paar einen Computer-Laptop...

Wenig glückliche Gewinner

Bei der Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt kennt man "Gewinnbenachrichtigungen" dieser Art. Gabriele Emmerich hat im vorigen Jahr eine solche Kaffeefahrt selbst mitgemacht. "Glückliche Gewinner habe ich da keinen gesehen", sagte die Juristin im Juli der MZ, als in Oranienbaum und Wörlitz für diese Kaffeefahrten geworben wurde. Emmerichs Tour endete auf einem abgelegenen Landgasthof mit einer stundenlangen Verkaufsveranstaltung. Ihr Rat zur unerwarteten Post: "Wegwerfen und vergessen ist die nervenschonendste Art."