Dessau-Roßlau Dessau-Roßlau: Im Tempel wieder ans Licht geführt
DESSAU/MZ. - Wenn sich die Freimaurerloge "Zu den drei Säulen" trifft, dann schmunzelt Uwe Dorand, "sagen unsere Frauen oft, die Männer gehen ins Puppentheater". Doch der über 50 Jahre als Theatersaal genutzte Raum im Logenhaus in der Ferdinand-von-Schill-Straße ist als solcher nicht mehr zu erkennen. Als neuer Festsaal der Freimaurerloge wurde er am Sonntag eingeweiht. "Wir können die Arbeit in unserem althergebrachten Tempel wieder aufnehmen", sagte Dorand, Meister vom Stuhl. Dieser wichtige Ort kann "nun seiner ursprünglichen Bestimmung wieder übergeben werden".
Ein Dreivierteljahrhundert liegt zwischen der früheren und heute wieder möglichen Nutzung. Denn 1935 hatten die Nationalsozialisten die Loge wie sämtliche Freimaurerlogen Deutschlands verboten. Dazu kam: Logenarbeit war im Osten Deutschlands erst nach der Wende 1990 wieder möglich. In den vielen Jahren, in denen die Arbeit brach lag, "sind auch viele Dinge abhanden gekommen oder wurden bewusst von Brüdern bewahrt", wie Dorand erzählte. Am Sonntag nun konnte er Dinge ans Licht führen, die 75 Jahren verborgen geblieben waren. Das Porträt von Karl von Madai gehört dazu. Madai (1844-1934) war für viele Jahre als Meister vom Stuhl bei der 1875 gegründeten Dessauer Loge "Esiko - Zum aufgehenden Licht" im Amt. Er gehörte nach dem Ersten Weltkrieg zu den bekanntesten Freimaurern in Deutschland, war Ehrenmeister vieler Logen, u. a. in der von Friedrich dem Großen gegründeten National-Mutterloge "Zu den drei Weltkugeln" in Berlin, ebenso in der Dessauer Loge "Zu den drei Säulen".
1925 hatte der Maler Heinrich Iser von Madai bei seiner Arbeit in der Dessauer Esiko-Loge porträtiert. Das Bildnis, sagte Thad Peterson, Direktor des Deutschen Freimaurermuseums aus Bayreuth, "hatte die Unbilden aller Zeiten unversehrt überstanden." Nach dem Zweiten Weltkrieg hing es bis 1948
im Dienstzimmer von hohen Offizieren der sowjetischen Besatzungsmacht, weil diese im Dessauer Haus von Major Walter Braune einquartiert waren. Nach dem Tod der Braune-Witwe Wilhelmine ging es über in den Besitz von Diethelm Lütze, einem Madai-Enkel. Der übergab es dem Freimaurermuseum. Nun ist das Bildnis wieder nach Dessau zurückgekehrt.
Zurückgekehrt ist auch ein Logenkelch, den Reinhard Wege und Andreas Köhn, Gemeindekirchenräte von der Auferstehungsgemeinde (Ziebigk-Siedlung), an Dorand übergaben. Dass es diesen Becher mit der Gravur "Karl von Madai" gibt, ist im Zuge der Übergabe der Pfarrstelle von Dietrich Bungeroth an seine Nachfolgerin Annegret Friedrich-Beerenbruch ins Bewusstsein gekommen. Wege vermutet, dass der erste Pfarrer der Auferstehungsgemeinde, Erich Elster, diesen 1935 gerettet hatte. Elster war Freimaurer.
Ein weiterer Logenbruder ist ebenfalls zurückgekehrt - auf einem Porträt. Fritz Melchert übergab das Bildnis seines Großvaters Friedrich, der Mitglied beider Dessauer Logen war. Sein Großvater, erzählte der 77-jährige Steinmetz, habe seine Kindheit beeinflusst und seine Grundeinstellung zum Leben geprägt.
Erfreut berichtete Dorand auch von alten Mitgliederverzeichnissen und einer Bibel von 1797 aus der Esiko-Loge, die der Loge übergeben worden sind, und hofft, das in Zukunft noch weitere Dinge ans Licht geholt werden können.
Ausdrücklich betonte der Meister vom Stuhl, dass die Freimauer das kulturelle Leben in Dessau bereichern möchten. "Das Logenhaus steht Vereinen und Theatergruppen offen, ebenso Künstlern, die hier ausstellen möchten." Auch Vorträge über die Freimauerei und Buchlesungen sind geplant.
Die Loge wolle damit auch ein Stück weit der Geheimniskrämerei begegnen, die sie in der öffentlichen Wahrnehmung umgibt. "Nur wenn die Öffentlichkeit von der Freimauerei und ihrem Wirken erfährt", sagte Volker Glab, Großredner aus Erlangen, "kann man Nachwuchs gewinnen." Es gebe, bejahte er, ein freimauerisches Geheimnis, doch im Grunde könne man alles auf der Homepage der Freimaurer nachlesen.
Und noch einer ist zurück im Logenhaus: der Kasper - als Geschenk vom langjährigen Mieter Dessauer Puppentheater. Ganz abstreifen lässt sich die Vergangenheit des Hauses wohl doch nicht.