Dessau-Roßlau Dessau-Roßlau: Friedrich Meyer sucht die positive Reibung
DESSAU/MZ. - "Aber in Senftenberg läuft es jetzt gut, und ich brauche die Herausforderung, die positive Reibung", sagt Meyer, der beides nun am Anhaltischen Theater in Dessau gefunden hat. Seit Anfang August ist Friedrich Meyer der neue Verwaltungsdirektor der Dessauer Bühne, tritt die Nachfolge von Joachim Landgraf an.
"Landgrafs Fußstapfen sind groß." Das merkte Meyer schnell, als er schon lange vor der Sommerpause regelmäßig ins Theater kam. In Senftenberg eine Drei-Tage-Woche und den Rest der Woche zwischen Frau und Baby und der neuen Wirkungsstätte aufgeteilt, so sah Meyers Zeitplan vor dem Sommer aus. Die Übergabe hätte nach seinem Empfinden nicht besser laufen können. Noch zum Ende der Spielzeit sah man Landgraf und Meyer gemeinsam bei Terminen. Da erklärte ein alter Dessauer Theater-Hase seinem Nachfolger das Haus, die Stadt, die Politik. "Das ist unglaublich kollegial", findet Meyer, der das Ruder nun ganz übernommen hat und auf seinem neuen Posten mit 41 Jahren auf eine ganze Reihe von Erfahrungen im künstlerischen und kaufmännischen Bereich zurück greifen kann.
Tischler lernte der in Ost-Berlin geborene Meyer zunächst und findet, dass diese Ausbildung auch heute noch wichtig ist für das Verständnis der technischen Abteilungen in einem Theater. Eineinhalb Jahre arbeitete er dann bei Bechstein, wollte Klavierbauer werden, "aber ich habe bald gemerkt, das können andere besser". Die gewisse Affinität zu Kunst, Theater und Musik aber war da, und so führte den jungen Mann ein praktisches Jahr vor der Aufnahme des Studiums ins Kulturamt Mitte in Berlin. Freie Theatergruppen betreute er dort. Den Duft der weiten Welt aber ließ er sich bei einem einjährigen Honduras-Aufenthalt um die Nase wehen. Für die Herrnhuter Brudergemeinde lebte und arbeitete er in Südamerika und begleitete dann, wieder zurück in Berlin, die Fusion der evangelischen Jugendarbeit Ost und West. "In diesen Jahren hatte ich viel mit der Kirche zu tun, als Arbeitgeber aber wollte ich sie nicht", so Friedrich. Das Theater lockte, die Arbeit hinter den Kulissen einer Bühne. Grundlage sollte ein Kulturmanagement-Studium sein. Schon die ersten Semesterferien verbrachte der Student auf Kampnagel in Hamburg, Deutschlands größtem freien Theaterhaus. Dort lernte er auch Friedrich Schirmer kennen, assistierte ihm am Stuttgarter Theater und 2005 im Betriebsbüro beim Festival "Theater der Welt". Das künstlerische Betriebsbüro am Berliner Maxim-Gorki-Theater war eine weitere Station für Meyer, bevor er eine Auszeit in Russland nahm.
"Ich habe damals überlegt, ob das beruflich der richtige Weg war", so Meyer. Die Antwort fand er in der Heimat seiner Frau. "Ich musste russisch noch einmal neu lernen." Nach einem halben Jahr in Nowosibirsk und einem halben Jahr in St. Petersburg war auch die Verständigung mit seinem russischen Familienteil kein Problem mehr. Zurück in Deutschland wartete die Stelle des Verwaltungsdirektors am Senftenberger Theater auf Friedrich Meyer.
In Senftenberg wie nun auch in Dessau schätzt Meyer das Spannungsfeld, in dem er zwischen künstlerischer Leitung, den technischen Abteilungen und dem Publikum arbeitet. "Am Theater müssen alle am gleichen Strick und in die gleiche Richtung ziehen. Das ist Vermittlungsarbeit", findet Meyer. Dieser Vermittler und Ermöglicher will er auch am Anhaltischen Theater gerne sein. Er will Möglichkeiten aufzeigen, rechtzeitig Prognosen stellen, sich aber auch einschalten "ohne gleich den Finanzhai zu spielen".
Zahlen sind dabei Friedrich Meyers Element und mit ihnen weiß der neuen Verwaltungsdirektor des Dessauer Theaters auch zu argumentieren. So würden beispielsweise 77 Prozent der öffentlichen Gelder für ein Theater sofort wieder in den Wirtschaftskreislauf zurück fließen. "Mittel, die in den Kulturbetrieb gehen, sind deshalb systemrelevant", sagt Meyer. Am Theater in Senftenberg führte er die kaufmännische Buchführung und ein Controllingsystem ein. Tagesaktuell lagen da die Zahlen auf dem Tisch, die Abteilungen erhielten Budgets mit denen sie eigenverantwortlich wirtschafteten. Da habe man schnell wie auch zu Hause gespart.
"Wie viel mit dem Geld hier gemacht wird, ist enorm", war Friedrich Meyers erster Eindruck vom Dessauer Theater. Sparen muss er trotzdem. "Ich gucke, wo ist was sinnvoll, bin aber nicht zum Verhindern hier", macht er klar und sieht in einer Stadt wie Dessau-Roßlau viele Kooperationsmöglichkeiten. "Das Theater ist als große Institution auch ein starker Partner. So verstehe ich auch Theater in einer Stadt, wo es das erste Haus am Platz ist. Theater, das nur Theater auf der Bühne macht, funktioniert heute nicht mehr." Dass die Dessauer Bühne vielerorts präsent ist, freut ihn umso mehr.
Am Sonnabend wird er beim Eröffnungskonzert der neuen Spielzeit dabei sein. Sein Notizbuch aus den ersten Wochen in Dessau wird er dann wohl stecken lassen können. Als er mit Joachim Landgraf unterwegs war, notierte er sich noch alle Leute, die er neu kennen lernte. An der Seite seines Vorgängers waren das nicht wenige. Viele hat er längst mehrfach getroffen und am 3. September wird es wohl auch so manche Begegnung für den Neu-Dessauer geben.