Dessau-Roßlau Dessau-Roßlau: Ein Versprechen im Sattel
Rosslau/MZ. - Das Versprechen war eher witzig gemeint - und ohne große Hoffnung auf eine Erfüllung gegeben. "Wenn es dir gelingt, Karten für das letzte deutsche Vorrundenspiel zu besorgen, dann radeln wir da hin", versprach Stefan Wagner seinem besten Freund Markus Scherer. Das war im Dezember 2011. Gut drei Monate später lagen sie im Briefkasten: zwei Tickets für die Fußball-Europameisterschaft 2012. Für das letzte Spiel der Vorrunde Deutschland gegen Dänemark. In Lwiw. "Was sollte ich da machen?", grinst Stefan Wagner, "Wir haben uns auf den Weg gemacht." Auf einen Weg, den sie so schnell wohl nicht vergessen werden.
Start in Cottbus
Stefan Wagner und Markus Scherer sind beide 32 Jahre alt. Seit ihrer Kindheit, die sie gemeinsam in Roßlau verbrachten, sind die beiden enge Freunde. Auch wenn Stefan mittlerweile in Essen und Markus in Wittenberg arbeitet, so ist der Kontakt trotzdem nie abgerissen. Einmal pro Jahr wird dieser zudem mit einer gemeinsamen Radtour gepflegt. "Wir waren schon in Prag oder bis Rostock", erzählt Wagner. Ihre Touren waren dabei keineswegs nur sportlicher Natur. "Wir haben uns schon immer für andere Länder, Kulturen und Menschen interessiert."
Und so entstand auch die Idee, der deutschen Mannschaft in die Ukraine zu folgen. "Zuerst war der Plan, die gut tausend Kilometer von Berlin nach Lwiw durchzuradeln", blickt Markus Scherer zurück, "doch viele haben uns davon abgeraten." Die Begründung? "Sie meinten, alles was nach Krakau und vor allem in der Ukraine kommt, sei schwierig zu meistern. Schlechte Straßen, fehlende Radwege, schwache Infrastruktur." "Wir haben drauf gehört", sagt Wagner, "doch letztendlich hat es sich als falsch herausgestellt."
Die Reise des Duos mit dem Rad begann am 4. Juni in Cottbus. "Ein guter Ausgangspunkt", so Wagner. Vor der Abreise wollte er noch schnell seine Reifen im Fachgeschäft des Ex-Weltmeisters Lutz Heßlich austauschen lassen. "Doch der meinte nur trocken: Mit dem Rad kommst du nie am Ziel an." Schweren Herzens erwarb Wagner einen neuen Untersatz. Der trug ihn zusammen mit Markus Scherer 600 Kilometer weit über Breslau bis nach Krakau. Gut 35 Stunden verbrachten die beiden im Sattel, übernachtet wurde spontan unterwegs. "Dabei haben wir die Polen als offenes, liebenswertes Volk kennengelernt", so Wagner, "wenn man auf sie zugeht." Beim Stop in Breslau mischten sich die beiden Deutschen in die Menge der Anhänger und verfolgten live das EM-Eröffnungsspiel auf einer Leinwand in der Innenstadt. Es war ein tolles Erlebnis.
Das schwierigste unterwegs aber war die Wegführung. "Alles was wir hatten, waren Straßenkarten." Je tiefer sie ins Land vorstießen, um so schwieriger wurden die Bedingungen. "Manch eine Straße, die wir genommen haben", lacht Wagner, "hätten Autofahrer wohl verschmäht."
Rückreise mit dem Zug
Am 12. Juni war dann endlich Krakau erreicht, von hier ging es per Zug nach Przemysl an die ukrainische Grenze. "Wir wollten den enormen Preisen in Lwiw aus dem Weg gehen", erklärten die beiden ihre Idee, per Busshuttle von Przemysl aus nach Lwiw zu reisen. Gerade einmal ein halber Tag blieb so für eine Stadtbesichtigung - und natürlich das Verfolgen des deutschen 2:1-Erfolges über Dänemark. "Verglichen mit 2006 oder 2008, wo ich auch schon in den Stadien war", sagt Stefan Wagner, "ist die Stimmung diesmal nicht ganz so euphorisch gewesen."
Doch das Fußballspiel war für die beiden Roßlauer auch gar nicht das Zentrum ihrer Reise. Nur ihr Ziel. Der Weg, den sie zurück mit dem Zug bestritten, hat sie geprägt. "Man hat eine Möglichkeit, einem Land auf ganz andere Art und Weise zu begegnen", sagt Wagner, der gemeinsam mit Markus Scherer am Dienstagabend wieder in Roßlau eintraf. Mit im Gepäck: Zwei Tickets. Und ein unbezahlbares Abenteuer.