Dessau-Roßlau Dessau-Roßlau: Berufsstart unter geweihter Fahne
Dessau-Rosslau/MZ. - Manchmal ist die Wirtschaft der Politik um Jahrzehnte voraus. 1990, als sich die Dessauer und die Roßlauer noch über die Einführung ihrer ersten jeweils eigenen bundesdeutschen Autokennzeichen freuten, stampfte das Kraftfahrzeug-Gewerbe beider Städte bereits die gemeinsame Kfz-Innung Dessau-Roßlau aus dem Boden. "Unser Name hat nichts mit der Fusion 2007 zu tun", betonte am frühen Mittwochabend Kfz-Innungsobermeister Klaus-Lothar Bebber in der Villa Krötenhof.
Dorthin hatte die Innung geladen, um das zu tun, woran es längst an der Zeit war. Zum einen, um endlich ihre eigene Fahne zu weihen. Denn in den fast 22 Jahren war die Innung fahnenlos. Zum anderen waren die frischgebackenen Kraftfahrzeugmechatroniker mit der Übergabe der Gesellenbriefe freizusprechen und ins Berufsleben zu entlassen.
Viele Wappen auf der Fahne
Doch ehe die jungen Leuten als erster Jahrgang unter der geweihten Flagge ihre Abschlusszeugnisse entgegen nehmen konnten, musste das Zeremoniell erst seinen geordneten Gang gehen. "Von "einem Meilenstein im Innungswesen", "einem Zeichen der Gemeinschaft" und "einer Tradition, die von Generation zu Generation weitergegeben wird", sprach Bebber bei der Weihe des blauen Samtes mit goldenen Fransen. Jede Menge Wappen sind natürlich auch drauf. Die Wappen des Kfz-Gewerbes von 1934, 1978 und 1998 sind genauso verewigt wie die Stadtwappen von Dessau und Roßlau.
Die Geschichte des Automobils, die vor mehr als 125 Jahren mit Carl Benz in Süddeutschland seinen Lauf nahm, passte da kaum in die halbe Stunde des historischen Rückblicks von Ehrenobermeister Dietrich Kahl. Die Weltgeschichte kennt noch heute die großen Etappen und Namen wie Stuttgart, Detroit und Wolfsburg. Dessau scheint da fast in Vergessenheit geraten. Friedrich Lutzmann schrieb hier Automobilgeschichte. Stampfte hier das erste deutsche Taxi-Unternehmen aus dem Boden. Bereitete in der Wasserstadt den Weg für die Marke Opel.
Kahl und Bebber wollten das an diesem Abend nicht unerwähnt lassen. Nicht jedoch, ohne damit auch zukünftige Zwecke zu verfolgen. Den Namenszusatz "Friedrich Lutzmann" wird sich die hiesige Kfz-Innung auf Vorschlag Bebbers zukünftig geben. Die weitere Sanierung des Lutzmann-Zauns an der Villa Krötenhof ist ebenso im Fluss. "Ich möchte bei der Stadt den Antrag stellen, die Wasserstadt in Friedrich-Lutzmann-Straße umzubenennen", stellte Bebber einen weiteren Plan vor. Denn von hier aus habe der Dessauer Auto-pionier ein Stück an der Weltgeschichte des Automobils mitgeschrieben, so der Innungsobermeister.
Braucht es soviel Symbolik? Zumindest in Bezug auf die Innungsfahne antwortet Kreishandwerksmeister Karl Krökel mit "Ja". "Die Fahne ist nicht nur ein Stück Stoff . Sie ist ein Symbol dafür, dass der Einzelne die Gemeinschaft braucht", so Krökel. "Haltet das Handwerk hoch. Tragt sie hoch und ehrt sie", richtete Krökel seine Worte auch an den Nachwuchs.
Ein Mädchen ist Spitze
Dieser bekam als erster Jahrgang seine Abschlusszeugnisse unter geweihter Flagge überreicht. "Zehn Lehrlinge sind zur Prüfung angetreten und haben bestanden", begann Bebber mit der positiven Nachricht. Ganz ohne Kritik konnte er seine zukünftigen Kollegen nicht aus der Lehre entlassen. Der Notendurchschnitt von 3,3, im Vorjahr war es ein Schnitt von 2,6, ist kein Prädikat. "Jetzt ist die Schonzeit vorbei. Ihr müsst im Beruf Fuß fassen", mahnte Bebber. Nicht jeder hat schon einen Arbeitsvertrag in der Tasche. "Eure Wissenslücken haben die Prüfungen aufgezeigt. Ihr müsst weiterlernen, sonst bleibt ihr ewige Reifenwechsler", fand der Innungsobermeister sehr klare Worte. Die Technik bleibt nicht stehen. Die Fahrzeuge werden immer komplexer.
Am besten gewappnet für diese Herausforderung ist die einzige Azubine des Jahrgangs. Als Beste und Einzige ihrer Abschlussklasse hat Franziska Schildhauer vom Autohaus Heise ihre Lehre mit der Gesamtnote 2 beendet. Nach einem Girls Day hat die 23-Jährige Gefallen am Beruf gefunden. Nach dem Abitur absolvierte sie ihre Lehre. "Es ist kein leichter Beruf. Weniger von der Komplexität her als vielmehr von den körperlichen Anforderungen", sagt die frischgebackene Kfz-Mechatronikerin. Eine richtige Entscheidung war es allemal. Den Arbeitsvertrag ihres Lehrbetriebs hat sie in der Tasche. Das Lernen geht weiter. Der Meisterabschluss ist schon in Planung.