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Dessau-Roßlau Dessau-Roßlau: «Batman» sorgt für Abwechslung in der JVA

Von Young-Sim Song 29.02.2012, 11:01
Schauspieler Patrick Rupar als Batman und Schauspielerin Katja Sieder als Rachel stehen in Dessau-Rosslau in der Sporthalle der Justizvollzugsanstalt (JVA) (FOTO: DAPD)
Schauspieler Patrick Rupar als Batman und Schauspielerin Katja Sieder als Rachel stehen in Dessau-Rosslau in der Sporthalle der Justizvollzugsanstalt (JVA) (FOTO: DAPD) dapd

Dessau-Roßlau/dapd. - Laute Musik ertönt: Eine große brünetteFrau und vier Männer in schriller Aufmachung kommen aus allenRichtungen auf die Bühne und sortieren Requisiten. Ein Moderatorerscheint im Anzug auf dem Podium, unterbricht das Durcheinander underklärt den Zuschauern, dass sie jederzeit in die Handlung desTheaters eingreifen dürfen. Dazu diene die goldene «Fernbedienung»,die vor der Bühne liegt.

Die vier Männer und die Frau gehören zum Schauspielsensemble desAnhaltischen Theater Dessau. An diesem Dienstagabend spielen sie vorganz besonderem Publikum: Häftlinge der JustizvollzugsanstaltDessau-Roßlau. 37 Männer im Durchschnittsalter von Anfang 30 sinddankbar für eineinhalb Stunden Abwechslung vom Gefängnisdasein. Weilsie betrunken Auto gefahren sind, Menschen verletzt oder gestohlenhaben, sitzen sie bis zu zweieinhalb Jahre in Haft.

Der Moderator David Ortmann ist Regieassistent und leitet mit derDramaturgin Sabeth Braun das Improvisationstheater «Wunschfilm». Zumsechsten Mal stehen die fünf Schauspieler auf einer Bühne ohnevorher geprobt zu haben und lesen ihren Text von einem Teleprompterab. Grundlage des Skripts ist ein Film, den die Theaterbesucher sichvorher gewünscht haben.

«Mal was anderes, als Gitterstäbe anzugucken»

Statt im Theater sitzen die Insassen in Trainingshosen oderausgebeulten Jeans auf schwarzen Stühlen in der Gefängnisturnhalle.Die Füße in Pantoffeln oder bequemen Turnschuhen verfolgen sie mitzunächst verschränkten Armen das bunte Treiben auf der provisorischaufgebauten Bühne. Es dauert aber nicht lange, bis immer wiederschallendes Gelächter und lauter Applaus ertönt, lautstark wird jedeSzene und Handlung kommentiert. «Soll ich mitmachen?», ruft einer.

Die Wahl fiel zwischen den Filmen «Spider-Man», «Superman» und«Batman» mit großem Abstand auf letzteren. Nun dürfen sich dieSträflinge an der Theaterimprovisation auf Grundlage derUS-Comicverfilmung «The Dark Knight» (2008) vergnügen. Kaumbegonnen, recken die Männer ihre Köpfe, um nichts zu verpassen.

Drei der Insassen stellen ihre Stühle in die Mitte desDurchgangs, um bessere Sicht auf die Bühne zu haben. Einige derZuschauer aus der letzten Reihe schauen sogar im Stehen oder stellensich auf ihren Stuhl. «Mal was anderes, als Gitterstäbe anzugucken»,sagt einer der Männer.

«Kann mal einer drücken?»

Besonders begeistert scheinen die Häftlinge vom verrückten Joker,der gespielt von Thorsten Köhler mit Sprengstoff und Waffen über dieBühne rast. «Spiel mal nicht so mit der Waffe rum», ruft einer derGefangenen. Auch die schöne Rachel (Katja Sieder), die gekidnapptwird und letztendlich dran glauben muss, erregt die Aufmerksamkeitder Anwesenden und provoziert Zwischenrufe zuhauf.

Und wenn eine Handlung zu langatmig wird, rufen gleich mehrere«Kann mal einer drücken?». Bis schließlich einer nach vorne spurtetund die goldene «Fernbedienung» benutzt. Dann wird jede langweiligeSzene sofort übersprungen. Immer wieder mischt sich auch derModerator ein und muss manchmal den Übermut der Darsteller bremsen,wenn sie gar zu weit vom Text auf dem Teleprompter abkommen.

«In ganz Sachsen-Anhalt kostet ab morgen jede Currywurst nur noch50 Cent», posaunt etwa Jan Kersjes als Anwalt Harvey Dent, dereigentlich eine Pressekonferenz zur Festnahme von Batman gibt. DasSchöne am Improvisationstheater ist laut Kersjes, dass man gar nichterst in die Gefahr kommt, seine Spielweise zu bewerten. «Dieallererste Idee, die mir kommt, muss ich machen.»

Der Leiter der Vollzugsanstalt, Rüdiger Richter, freut sich, dassdie Insassen den Theaterabend so gut angenommen haben. «Ich dachteschon, vielleicht sitzen die dann hier wie die Mauerblümchen.»Richtig gut fände er noch, wenn in Zukunft auch mal Strafgefangeneselbst auf der Bühne mitspielen.