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Dessau-Roßlau Dessau-Roßlau: Aus drei Wochen 20 Jahre geworden

Von HEIDI THIEMANN 06.02.2011, 18:16

DESSAU/MZ. - Er kann sich noch gut an den März 1991 erinnern. Fast 20 Jahre ist es jetzt her, als dem damals 23-jährigen Christopher Szameit aus Freiburg im Breisgau von seinem Chef gesagt wurde, er solle für drei Wochen nach Dessau gehen. Um beim Aufbau der Barmer-Geschäftsstelle zu helfen.

Szameit kam - und blieb mehr als drei Wochen. "Mittlerweile sind es 20 Jahre geworden", schmunzelt der stellvertretende Regionalgeschäftsführer der Barmer-GEK. Er hat eine Dessauerin geheiratet, hier sein Haus gebaut, einen Baum gepflanzt - und sein Sohn ist mittlerweile acht Jahre alt. "Dessau-Roßlau ist meine Heimat. Und ich bin stolz darauf."

Nicht nur Szameit hat Rückblick gehalten auf die letzten 20 Jahre beim Festakt der Ersatzkrankenkasse in deren Dessauer Räumlichkeiten in der Stiftstraße 11, doch Szameits Blick zurück war ein ganz besonderer, weil der 43-Jährige zu denjenigen gehört, die die Entwicklung in Dessau eng begleitet haben und im Osten geblieben sind.

Am 1. Januar 1991 waren die Krankenkassen in den neuen Bundesländern wieder zugelassen worden. Damals hieß es "formal zugelassen im Beitrittsgebiet", wie Paul Friedrich Loose, Landesgeschäftsführer der Barmer GEK Mitteldeutschland erinnerte. Seitdem ist "unendlich viel gelungen und unendlich viel entwickelt worden". So wurde eine beispielgebende Infrastruktur aufgebaut. 200 neue Geschäftsstellen entstanden.

Mit der Wiedervereinigung beider deutscher Saaten ist eine medizinische Versorgung zwischen Vorbild und Mangel abgelöst worden, sagte Alexander Sülz, Bereichsvorstand der Barmer GEK Wuppertal. Es habe in der DDR eine enge Verzahnung von ambulanter und stationärer Versorgung gegeben, Polikliniken mit diversen Ärzten und Schwestern sowie Physiotherapeuten. Heute wird ähnliches aufgebaut mit den Medizinischen Versorgungszentren. Es gab Gemeindekrankenschwestern, die

wie Sülz einschätzte, "vorzeitig abgeschafft wurden", denn heute würden wiederum Aufgaben delegiert an "Schwester Agnes". Auch das betriebliche Gesundheitswesen lobte der Wuppertaler, blickte aber auch auf den Mangel, der insbesondere in der Ausstattung mit medizinisch-technischen Gerätschaften und auch Spritzen und Verbandmaterialien augenscheinlich war. Sülz anerkannte die "enorme Arbeitsleistung", die in den Jahren nach der Wende vollbracht wurde. "16 Millionen Menschen mussten eine neue Krankenversicherung abschließen." 1,3 Millionen Mitglieder hat die Barmer in den neuen Ländern hinzugewinnen können.

Das Gesundheitssystem im Osten und Westen sei längst aneinander angeglichen, so Sülz. Durch bessere Gesundheitsvorsorge und -dienstleistungen sei die Lebenserwartung der Menschen im Osten seit 1990 um sechs Jahre gestiegen. Das sei einmalig.

Die Aufbauarbeit der Krankenkassen nannte er eine Erfolgsgeschichte, verschloss aber auch nicht die Augen vor jetzt anstehenden Problemen, wie dem Ärztemangel im ländlichen Raum. Es gäbe genügend Ärzte - man müsse über die Verteilung diskutieren. Auch zur Finanzierung des Gesundheitswesens zog Sülz klar Stellung. "Wir setzen auf die paritätische Finanzierung." Erhöhungen sollten nicht nur auf dem Rücken der Versicherten ausgetragen, sondern auch Arbeitgeber einbezogen werden.

Von solchen Problemen freilich war man vor 20 Jahren noch weit entfernt. Am Schlossplatz befand sich die erste Barmer-Geschäftsstelle. "Wir hatten zwei Telefone, eines davon war kaputt", erinnert sich Szameit. Kartonweise kamen damals die Aufnahmeanträge der Mitglieder.

Viel Arbeit war das in der Zeit der "Goldgräberstimmung". Mitte 1991 erst wurde der erste Kopierer geliefert. "Handys kannten wir damals nicht", schmunzelt Szameit. "Uns ging es trotzdem gut."