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Dessau-Roßlau Dessau-Roßlau: Auf den Preismast muss keiner klettern

Von HAUKE HOFFMEISTER 19.09.2011, 17:04

DESSAU/MZ. - Wenn Andreas Hartmann spätabends ein Stündchen Zeit findet, steht er im Garten, blickt durch sein Teleskop und betrachtet die Sterne. Das Hobby pflegt der Tankstellen-Chef von der Shell-Tankstelle in der Raguhner Straße seit eh und je. Doch eine Vorhersage, ob die Benzinpreise steigen oder fallen, das hat ihm noch kein Stern verraten.

Seit nunmehr 20 Jahren betreibt Andreas Hartmann die Shell-Tankstelle in der Raguhner Straße. Am Wochenende wurde das Jubiläum gefeiert. Es war die erste Tankstelle nach westlicher Art, die in der Stadt eröffnet wurde.

Fünf Monate lang wurde gebaut, 5,5 Millionen Deutsche Mark hat die Tankstelle gekostet. Die Mühlen der Stadtverwaltung mahlten damals vergleichsweise schnell: "Innerhalb von vier Monaten war der Bauantrag durch. Die Stadtverwaltung hat erkannt, dass Dessau dringend eine neue Tankstelle benötigte", erinnert sich der Inhaber. "Damals haben wir etwa 21 Million Liter Sprit im Jahr verkauft", spricht Hartmann von den alten Zeiten. Jeden Monat sei etwa soviel getankt worden, wie heute im gesamten Jahr.

Dann kam der Wettbewerb. Am Stadtrand entstanden neue Tankstellen, manchmal auch zwei nebeneinander. Nun wird das Sprit-Geschäft unter elf Tankstellen in und um Dessau aufgeteilt. Drei Tankstellen stehen etwa in Stadtmitte, zwei im Westen der Stadt, in Ostrichtung, im Norden und im Süden ebenfalls je zwei. "Für die rückläufige Zahl der Einwohner, die ein Auto hat, sind das viel zu viele", findet Hartmann.

Insgesamt 240 Kubikmeter Benzin könnten unter der Tankstelle gelagert werden. Doch erst einmal in den 20 Jahren seien die Tanks randvoll gefüllt gewesen: Das war im Sommer 2002, als Dessau unter Wasser stand. "Die Tankstelle ist höher gelegen und während andere im Wasser versanken, waren wir noch im Betrieb." Hartmann schmunzelt und erzählt weiter: "Ich habe den Tankzug noch über die Autobahn von kurz hinter Vockerode bis hierher gelotst. Der Zug hat die zylinderförmigen Tanks im Boden randvoll mit Diesel gefüllt, damit das Technische Hilfswerk die Pumpen und die Fahrzeuge wieder befüllen konnte."

"Die Passion ist verblasst", antwortet Hartmann auf die Frage, ob nach zwanzig Jahren der Spaß an der Arbeit derselbe wie einst ist. Mittlerweile sei es viel kaufmännische Routine, die ihn beschäftige. Der Ingenieur versteht sich heute als Kaufmann. Das Handy liegt neben dem Kopfkissen. Auch in der Nacht ist er jederzeit abrufbereit: "Durch den Rund-um-die-Uhr-Betrieb möchte ich erreichbar sein, sollte nachts etwas kaputt gehen." Mittlerweile findet er aber auch ein wenig Zeit für seine Hobbys. Ein Computer macht's möglich.

Das kleine Gerät steht in Hartmanns Büro und stellt zum Beispiel die Kommunikation zur Hamburger Shell-Zentrale her. "Shell kann jederzeit die Füllstände abfragen, um dann die Tankwagen zu schicken." Vor 20 Jahren musste noch selbst gemessen werden, wie viel Benzin in den Tanks noch vorhanden ist. Und mit der Leiter musste ein Mitarbeiter nachts den Mast hochklettern und die Preisanzeige ändern. Auch dies ist Geschichte: Der neue Preismast wird von der Shell-Zentrale elektronisch gesteuert. Hartmann wird eine Viertelstunde vorher informiert.

Einen Einfluss auf die Preise hat er also nicht. Er kann allenfalls eine Anfrage starten: Er sucht am Computer nach den Benzin-Preisen der umliegenden Tankstellen. Dann tippt er sie in den Shell-Computer ein und fragt damit, ob ein Preisabschlag möglich ist. Die Antwort: "In etwa 10 Minuten werden die Dieselpreise um zwei Cent gesenkt." Na dann, viel Glück!