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Dessau-Roßlau Dessau-Roßlau: Arbeit in der Spielecke

Von DANNY GITTER 14.04.2011, 18:51

DESSAU/MZ. - Mal nicht die Schulbank drücken, sondern den Erzieherinnen bei ihrer Arbeit über die Schulter schauen, stand für die 13-Jährigen gestern auf dem Stundenplan. Der erste offizielle Boys Day machte es möglich. Waren in den vergangenen Jahren hauptsächlich Mädchen dazu aufgerufen, in männerdominierte naturwissenschaftliche und technische Berufe reinzuschnuppern, konnten diesmal die Jungen parallel zum Girls Day sich in frauendominierten Berufen ausprobieren.

So hocken die drei Praktikanten für einen Tag in einer der Spielecken der Kindereinrichtung in der Steneschen Straße und haben Bauklötze in der Hand. Die Knirpse nehmen die drei schnell in Beschlag. Schließlich hat man hier nicht alle Tage männliche Betreuer. "Unser Personal ist ausschließlich weiblich", sagt Anke Schüler, die Leiterin der Kindertagesstätte "Marienschule". Die 37-Jährige hat es in ihrer fast 20-jährigen

Berufstätigkeit als staatlich anerkannte Erzieherin auch nie anders erlebt. Doch jetzt beobachtet Schüler einen langsamen aber stetigen Wandel "In letzter Zeit hatten wir vermehrt hier männliche Praktikanten aus der Berufsschule bei uns, die den Beruf des Erziehers oder Sozialassistenten erlernen". Dennoch gelten sie als Exoten.

Anders erging es auch Willi, Clemens und Phillip nicht. "Als in meiner Klasse bekannt wurde, dass ich zum Boys Day in einen Kindergarten gehe, waren meine Mitschüler schon sehr erstaunt, und ich wurde von einigen belächelt", erzählt Phillip, Siebtklässler an der "Sekundarschule am Rathaus". Das konnte ihn aber nicht davon abhalten. "Ich wollte mal gucken, was man in einem Frauenberuf so macht", erzählt er. Spielen, beaufsichtigen, beim Ankleiden helfen und kleine Konflikte schlichten sind nur einige der vielen Aufgaben. Die drei Schüler lösten sie mit Bravour.

Warum bis dato fast ausschließlich junge Frauen diese Ausbildung wählten, kann Anke Schüler auch nicht mit Bestimmtheit sagen. Rollenklischees mögen eine Erklärung sein, wenig gesellschaftliche Anerkennung des Berufs eine andere. "Es gibt Männer in Erziehungsberufen", konstatiert Schüler. Oft würden sie aber Lehrer oder Sozialpädagogen. Es sind Berufe mit mehr sozialem Prestige und besserer Bezahlung. "Dabei sind die ersten sechs Jahre in der Entwicklung die wichtigsten."

Verdienst, Ansehen und Aufstiegsmöglichkeiten sind für Clemens noch sekundär. Für ihn zählt vorrangig noch das Ausprobieren und die Neugier auf die Berufswelt. Als gelegentlicher Betreuer seiner kleinen Cousine ist er diesem Beruf nicht abgeneigt. "Ich hätte auch den ganzen Tag Autos angucken können. Nur wäre das wenig sinnvoll gewesen", begründet der Achtklässler am Philanthropinum seine Entscheidung für den Schnuppertag im Kindergarten. Anstrengend war es, vielleicht anstrengender als mancher Schultag. Missen wollten alle drei diesen Tag trotzdem nicht. Die Frage, ob sie sich denn ein Praktikum im Kindergarten vorstellen könnten, beantworten alle unisono mit einem beherzten "Ja".

Clemens sieht noch einen Vorteil des Praktikumstags. "Wenn man Familie und Zusammenleben im Sozialkundeunterricht behandelt, ist das sehr theoretisch. Hier kann man praktische Erfahrungen sammeln und ist mitten drin." Willi denkt dabei noch weiter. "Mit Kindern werden wir später mal sowieso in Kontakt kommen. Seien es die eigenen, von Verwandten oder Freunden." Umso besser, wenn man damit professionell umgehen kann.