Dessau-Roßlau Dessau-Roßlau: Angst um die Innenstadt
Dessau/Bitterfeld/MZ. - Der ist selbst Einzelhändler und hat 1994 seinen erstes Geschäft in Bitterfeld eröffnet. Mittlerweile hat er dort einen zweiten Laden und ist seit 2005 auch im Dessauer Rathaus-Center präsent.
"Ich habe noch die Bilder von 1995 aus den Innenstädten vor Augen", sagt Ziegler. Heute aber, mit Ausnahme von Leipzig, veröde alles, in den Kleinstädten gibt es außer dem Bäcker, Fleischer und der Drogerie kaum noch Einzelhandel. Ziegler sieht die Ursachen in den Einkaufszentren, die auf der Grünen Wiese gebaut worden sind. Wenn nun in Brehna ein FOC entsteht, dann grabe das die Kaufkraft der Region weiter ab. Der 48-jährige Ziegler bangt deshalb um seine Existenz. Nicht die Grüne Wiese müsste deshalb aufgewertet werden, sondern die Innenstädte. Und das sehen sowohl der Landesentwicklungsplan von Sachsen-Anhalt als auch der von Sachsen vor, laut denen Factory Outlet Center nur in Oberzentren integriert werden sollen. "Also in Magdeburg, Halle oder Dessau", sagt der Einzelhändler und ist schockiert, dass sich scheinbar niemand um die Einhaltung des Landesentwicklungsplanes kümmert. Sowohl Brehna als auch Wiedemar in Sachsen dürften deshalb nicht als Standorte in Frage kommen, buhlen aber darum, wer als erstes bauen kann.
Er selber, sagt Ziegler, könne nicht gegen das FOC klagen, "das können nur die Kommunen". Deren Widerstände aber seien immer geringer geworden. Letzte Hoffnung setzt Ziegler nun auf Dessau-Roßlaus Oberbürgermeister Klemens Koschig. Der hat vorige Woche angekündigt gegen das FOC in Brehna in Widerspruch zu gehen, nachdem sich zu Monatsanfang eine knappe Stadtratsmehrheit (20:18) nach einem Antrag der CDU für Brehna ausgesprochen hatte.
Und genau deshalb versteht Andy Grabner (CDU), Bürgermeister von Sandersdorf-Brehna, die Welt nicht mehr. "Es ist unglaublich, so langsam schwindet auch mein letztes Vertrauen in die Demokratie. Jetzt hat doch tatsächlich der Dessau-Roßlauer Oberbürgermeister gegen den Beschluss des Stadtrates Widerspruch wegen angeblicher Formfehler eingelegt", empört er sich im Internet auf der Facebook-Seite "Pro Outletcenter Brehna". "Wo bleibt denn da der regionale Gedanke, wenn ich ein FOC in Sachsen-Anhalt verhindere, damit ein anderes FOC im 15 km entfernten und ebenfalls an der A9 liegenden Wiedemar (in Sachsen) gebaut werden kann?" Grabner findet zudem, das sei ein Schlag ins Gesicht der Dessau-Roßlauer Stadträte, die sich "weg vom kleinkarierten Denken zu einer überregionalen Entwicklung bekannt haben". In Brehna böten sich mehrere Chancen: 500 Dauerarbeitsplätze, über 50 Millionen Investitionskosten. Jährlich würden mehrere hunderttausend Menschen angelockt, denen man die Vorzüge der Region (auch die von Dessau-Roßlau) näher bringen könne.
Der gleiche Zungenschlag ist auch bei Ingo Gondro zu lesen, der zur Entscheidung von Koschig auf die Dessauer MZ-Facebook-Seite gepostet hat: "Jetzt wird sogar ein demokratisch gefasster Mehrheitsbeschluss des eigenen Stadtrates unter fadenscheiniger Begründung einfach negiert." Gondro (CDU) ist Leiter der Wirtschaftsförderung in Sandersdorf-Brehna.
"Seit Jahren sind wir gegen die großflächige Ansiedlung von Einzelhandelsflächen auf der grünen Wiese", erklärt Antje Bauer, Geschäftsführerin der IHK Halle-Dessau. Auch sie verweist auf den Landesentwicklungsplan und einen Brief der IHK an die Oberbürgermeister von Halle und Dessau-Roßlau mit dem Appell, ein FOC in ihre Stadt zu holen. Dessau-Roßlaus OB Koschig habe geantwortet, er werde es versuchen... Jetzt, meint sie, sei es dafür "reichlich spät". Die Investoren sowohl in Brehna als auch in Wiedemar hätten fix und fertige Verträge in der Tasche.
In der Stellungnahme zum FOC Brehna habe die IHK Halle-Dessau grundsätzliche Kritik an der Ansiedlung geübt, zum anderen aber versucht Einfluss zu nehmen mit der Beschränkung auf Fläche und Sortiment. "Wir unterstützen das FOC in Brehna nicht mit wehenden Fahnen", sagt Bauer, doch im Vergleich zu Wiedemar, wo auf der grünen Wiese gebaut werden würde, genieße Brehna Bestandsschutz und sei unter diesem Aspekt das kleinere Übel.