Dessau-Roßlau Dessau-Roßlau: Alles begann mit Frühstück im Pionierhaus
DESSAU/MZ. - Große Veränderungen in der Frauenpolitik bahnten sich an, diesen sollte etwas entgegengesetzt werden, um nicht die Verlierer der Wende zu werden.
Gudrun Baartz und Renate Mühle, heute Vorstandsmitglied bzw. Leiterin des Frauenzentrums, fühlten sich angesprochen und bereicherten die Runde. "Ich dachte, dass dies etwas Kommunales und Konkretes sein könnte, denn mir war bereits klar geworden, dass wir hier vor Ort etwas für Frauen machen müssen", erinnert sich Gudrun Baartz. Renate Mühle war damals Betriebsrätin bei Junkalor und dabei hautnah mit den ersten Massenkündigungen konfrontiert. "Ich habe eine starke Vertretung für die Fraueninteressen gesucht und wollte mich engagieren."
Dem ersten Treffen folgte schon wenige Monate später - am 24. April 1991 - die Gründungsversammlung als "Sozial-kulturelles Frauenzentrum". "Das war ein Arbeitsname, den wollten wir ändern, sobald wir ein eigenes Domizil haben", erzählt Renate Mühle. Das Domizil war bald gefunden, der Einzug in die Törtener Straße 44, einer der ersten geschlossenen Kindereinrichtungen in der Stadt, folgte am 1. Juni. Der Name aber blieb bis heute.
Nach der Gründung, erinnert Gudrun Baartz an die Anfänge, "haben wir zum Frauenfrühstück in das ehemalige Pionierhaus eingeladen". Der Informationsbedarf der Frauen sei riesig gewesen, Arbeitsrecht, Rechtsfragen, Versicherungsfragen und politische Fragen hätten im Fokus gestanden. "Daraus hat sich dann schnell mehr entwickelt."
Dass sich das Sozial-Kulturelle Frauenzentrum einmal zu einem nicht unwichtigen Arbeitgeber im sozialen Bereich entwickeln würde, hatte wohl keine der Gründungsfrauen im Blick. Nach 20 Jahren aber stehen mehr als 150 ABM-Frauen und durchschnittlich fünf fest angestellte Mitarbeiterinnen in der Bilanz. Die waren nicht nur im Frauenzentrum selbst tätig. Denn inzwischen hatte sich das Tätigkeitsfeld der Frauen erheblich erweitert. Schon im Herbst 1991 hatten sie von der Kommune das erste Frauenhaus der Stadt in Trägerschaft übernommen. "Nicht ohne Kampf", erinnert Gudrun Baartz an die damaligen harten Auseinandersetzungen im Stadtrat, wo sie als "autonomes Frauenzentrum" nicht den besten Ruf hatten. Letztlich aber gelang es ihnen, die Herren und Damen Stadträte von ihrer Seriosität und Fachkompetenz zu überzeugen. Sie erhielten den Zuschlag und führen das Haus bis heute als bewährter Partner der Stadt.
Träger ist der Verein Sozial-kulturelles Frauenzentrum seit nunmehr acht Jahren auch für die Interventionsstelle gegen häusliche Gewalt und Stalking und den Zeugenschutzraum am Landgericht, der seit Februar nach längerer Unterbrechung von zwei Bürgearbeiterinnen geführt wird. "Wir haben die Stadt und das Land durch unsere Ernsthaftigkeit überzeugt und sind zu einem wichtigen Partner im sozialen Netzwerk der Stadt geworden und darauf sind wir stolz", sagt Gudrun Baartz.
Völlig geradlinig verlief die Entwicklung natürlich nicht. "Wir mussten die Vereinsarbeit ja von der Pike auf neu lernen, Haushaltsplanung, Vereinsrecht, Vertragsgestaltung - all das waren böhmische Dörfer für uns", erzählt Renate Mühle, die dafür etliche Schulbanken drückte. Besonders schwierig sei es gewesen, irgendwo um Geld betteln zu müssen. "Da haben wir viele Federn gelassen." Dem Vertrauen, das die Frauen dem Frauenzentrum entgegen brachten und bringen, tat dies aber keinen Abbruch. Vom ersten Tag an war das Haus in der Törtener Straße 44 ihnen Anlaufpunkt bei Problemen und Sorgen, bot Freizeit- und Weiterbildungsmöglichkeiten, kurzum eine "Heimstatt". Dies ist das Frauenzentrum übrigens von Anfang an auch für die ausländischen Frauen in der Stadt.
Ans Ausruhen oder Kürzertreten denken die Frauen des Vereins jedoch noch lange nicht. Im Gegenteil. "Nach 20 Jahren herrscht wieder Aufbruchstimmung bei uns", kündigt Renate Mühle große Veränderungen an. Der Verein sieht seine Zukunft im Sozialkulturellen Zentrum Heideschule. "Das wird für uns noch mal ein richtiger Neuanfang. Mit uns ist also auch in Zukunft zu rechnen."
Wer die Frauen des Vereins kennen lernen möchte, ist am Freitag ab 16 Uhr zur großen Geburtstagsparty in die Marienkirche eingeladen. An diesem Tag wird bewiesen, dass Dessaus Frauen auch richtig feiern können.