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Dessau hofft auf den WM-Standort Leipzig

Von Thomas Schaarschmidt 05.12.2005, 19:49

Dessau/MZ. - Und trotzdem ist da bei Heidrun Waschhausen ein Gefühl. "Irgendwie", sagt sie, "wird diese WM auch die in ihren Bann ziehen, die keine Fans sind."

Die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland ist ein Ereignis wie kein zweites zuvor. Für Deutschland. Und damit auch für Dessau. "Diese vier Wochen werden alles andere in den Schatten stellen", prophezeit Dessaus Sportamtsleiter Ralph Hirsch. Noch immer ist die Freude groß, dass die von ihm maßgeblich ins Leben gerufene "Sportstadt Dessau" den Weg in die offizielle Trainingsquartier-Übersicht des Fußball-Weltverbandes FIFA gefunden hat. Stehen die Chancen auch äußerst gering, dass zwischen Elbe und Mulde einer der 32 teilnehmenden Verbände sein Lager aufschlägt, eine kleine Minihoffnung, die gibt es immer. Und wenn es nicht klappt? "Dann freuen wir uns für die anderen Städte und blicken nach Leipzig und Berlin."

Das will auch das "Chilli" tun - allerdings per Videobeamer. Dort wo bis vor kurzem noch die "Jadebar" war, haben Norbert Baars und Petra Griebsch gerade ihr neues Lokal eröffnet. Im Mittelpunkt steht da zwar die Live-Musik, Fußball jedoch ist für das Betreiberpaar auch ein Thema. Zur Weltmeisterschaft versprechen Baars und Griebsch noch einige Überraschungen. Auch Uwe Werner vom Finekeller wird ein paar Getränke-Specials für die Zeit der WM bereithalten. "Allerdings darf ich keine Namen nennen, denn die Fifa versteht da keinen Spaß."

Deshalb hängt er seinen neuen Beamer und die 1,70 Meter mal 1,03 Meter große, entspiegelte Leinwand auch nicht im schicken Biergarten auf. "Das würde zu teuer werden." Doch auch im Finekeller setzt Werner auf Stadion-Atmosphäre. "Wir lassen den Ton über die Anlage laufen, dann hat man fast das Gefühl, man wäre live dabei." Der Finekeller will alle 64 Spiele zeigen und macht sich zur WM noch mal fein: Eine Renovierung ist geplant. Und dann hofft Werner natürlich auf sein Traumfinale: "Ganz klar, England gegen Brasilien". Der Gewinner steht für den Südamerika-Fan schon fest.

Anja Huth, Pressesprecherin der Agentur für Arbeit in Dessau, hat ganz andere Hoffnungen, die knüpft sie an Leipzig als Austragungsort einiger WM-Spiele. "Wir denken, dass dieser Standort Auswirkungen auf den regionalen Arbeitsmarkt haben wird", meint sie. Pro Austragungsort wird mit etwa 6 000 neuen Arbeitsplätzen gerechnet. "Da müsste doch eigentlich auch etwas für uns hier abfallen."

Bei der IHK Halle-Dessau ist man da skeptischer. "Kurzfristige wirtschaftliche Effekte für Gastronomie, Hotels und im Dienstleistungsbereich werden sicherlich auch eintreten, dürfen aber nicht überschätzt werden", sagt Reinhard Schröter, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der IHK Halle-Dessau. "Während der WM wird deutschlandweit mit fünf Millionen zusätzlichen Übernachtungen gerechnet, das sind aber nur 1,5 Prozent der rund 339 Millionen Übernachtungen für Deutschland in 2004 und weniger als 2004 in Sachsen-Anhalt übernachtet haben. Da gab es 5,9 Millionen Übernachtungen."

Was für Schröder viel wichtiger ist: Dass sich Deutschland, die Region als guter Gastgeber präsentiert und so Interesse für zukünftige Touristen und auch Investoren weckt. Wichtig seien Angebote, Komplettpakete, die nach der WM-Auslosung am 9. Dezember zu schnüren sind. Wer in Leipzig spielt, diese Länder, deren Fans seien gezielt zu bewerben. Auch von Dessau aus.

Dessaus Amt für Kultur, Tourismus und Sport ist da längst dabei: Das NH-Hotel hat es in das offizielle Gastgeberverzeichnis der WM geschafft. Reiseangebote aus Dessau stehen in den offiziellen Publikationen der FIFA. Christine Lambrecht, Dessaus Tourismuschefin, ist zufrieden. Für den 12. und 15. Juni hat Dessau ein spezielles WM-Reise-Special für Journalisten geschnürt. Wer im Fußball-WM-Stress Abwechslung sucht, kann die in Dessau finden.

Auf ganz andere Effekte hofft Alexander Socher. Der Geschäftsführer des Dessauer Karstadt-Warenhauses kann auf die offizielle Partnerschaft seines Unternehmens mit der FIFA setzen. Das Thema zieht sich visuell und akustisch schon seit Wochen durch das Haus im Rathauscenter. Neben dem offiziellen WM-Shop sind in den kommenden Wochen und Monaten zudem ständige Aktionen rund um die WM geplant.

Gern würde sich Socher auch engagieren, um den Dessauern eine öffentliche Großbildprojektion der WM-Spiele im Zentrum der Stadt zu ermöglichen. "Wir bemühen uns schon seit Monaten, die Chance eines Public Viewing Events zu nutzen und entsprechend interessierte Partner zusammenzubringen", meint Socher, "doch die rechtlichen Hürden und die Uneinigkeit der Beteiligten machen dies leider nicht einfacher."

Centergemeinschaft und Karstadt seien aber nach wie vor bereit, sich angemessen, auch finanziell, zu engagieren. "Dessaus Zentrum verdient ein Fußballfest", findet Socher. Doch die Kosten - allein die Anmietung der Technik kostet eine sechsstellige Summe - sind hoch, die Angebote rar und die Chancen zur Gegenfinanzierung dank strengster Fifa-Vorgaben gering. "Eine Vielzahl von Ideen existieren bereits", gibt Carsten Sauer, Pressesprecher der Stadtverwaltung Dessau zu, "aber alle zusammen werden nicht praktikabel sein. Worauf man sich konzentrieren wird, das wird zurzeit intern beraten."

Weiter ist da schon das Anhaltischen Theater. Am Tag der Eröffnung der WM plant die Anhaltische Philharmonie unter Leitung von Golo Berg ein Open-Air-Konzert im Rathausinnenhof. "Wir wollen Stücke spielen, die sich thematisch mit Fußball beschäftigen", verrät Musikdramaturg Ronald Müller, "wir hoffen, dass wir dieses Projekt hinbekommen." Dann dürften sich das Steigenberger Hotel und seine Direktorin Heidrun Waschhausen wohl über noch mehr Gäste freuen.

Schon jetzt liegen dem Haus zahlreiche Bestellungen für die WM-Zeit vor. Gebucht aber können diese erst werden, wenn Dessau als Trainingsquartier einer der Mannschaften endgültig ausscheidet. "Wir sind so oder so auf alles vorbereitet, meint Waschhausen und bezieht das auch auf sich selbst. "Wenn ich schon nicht so genau Bescheid weiß, wer gewinnt, dann habe ich wenigstens eine Hoffnung" sagt sie: "Weltmeister 2006: Deutschland."