Chlorgas-Wolke in Süd

Von Annette Gens 04.05.2013, 20:38
Vor der Schwimmhalle werden Schutzanzüge angelegt.
Vor der Schwimmhalle werden Schutzanzüge angelegt. FotoS: SEBASTIAN Lizenz

Dessau-Rosslau/MZ - Rund eineinhalb Stunden nach Auslösen des Alarms werden immer noch zwei Personen vermisst. Abschnittsleiter Jörg Sokolowski von der Berufsfeuerwehr setzte den nächsten Einsatztrupp in Marsch. Binnen kurzer Zeit haben sich vor allen Kameraden der Freiwilligen Feuerwehr Roßlau in schwere Chemikalien-Schutzanzüge gehievt. Unermüdlich suchen sie die Umkleidekabinen der Dessauer Südschwimmhalle nach Verletzten ab. Wurde falsch gezählt? Egal. „Wir suchen solange, bis wir alle Opfer geborgen haben“, sagt Einsatzleiter Sokolowski.

Um 19 Uhr hat das das städtische Amt für Brand- und Katastrophenschutz am Freitag die bislang größte Übung der Feuerwehren und des Katastrophenschutzes in der Doppelstadt ausgelöst. Es ist selten, dass alle 14 Dessau-Roßlauer Freiwilligen Feuerwehren auf einen Schlag alarmiert werden. Dazu ist die Berufsfeuerwehr vor Ort, rollen Rettungswagen mit Sondersignal an. Schweres Gerät wird eingesetzt. Sanitäter sind eingetroffen, Container werden abgeladen, um vor Ort ein Zeltkrankenhaus zu errichten.

Auf einem sonst menschenleeren Platz vor der Südschwimmhalle tummeln sich gegen 19.30 Uhr mehr als 100 Einsatzkräfte. Nach deren Eintreffen werden Straßen abgesperrt. Jeder Trupp erhält seine Aufgabe. Zum Beispiel die, die Rettung in die Wege zu leiten. 23 Schüler der Dessauer Berufsschule „Hugo Junkers“ werden in der Schwimmhalle „vermisst“. Sie sind die Opfer eines vermeintlichen Chlorgasunfalls. Sie liegen verletzt in den Umkleidekabinen und brauchen Hilfe. Sie zu bergen, das ist nur ein kleiner Teil der Aufgabe.

Die Männer im Chemikalienanzug zählen bis drei, um die aus der Schwimmhalle geretteten Personen von einem Tragetuch auf die Tragen zu hieven. Weitere Kameraden befördern die Tragen schließlich zum Notarzt, der draußen vor der Halle die Schwere der Verletzungen feststellt und dann eine Reihenfolge der Behandlung festlegt. Logisch, dass den Schwerstverletzten am schnellsten Hilfe zuteil wird - nachdem alle Personen kontaminiert wurden, was in einem speziellen und extra errichteten Zelt erfolgt.

Während die Rettung läuft, entsteht ein Krankenhaus aus mehreren Zelten. 50 Personen pro Stunden können dort behandelt werden. Alle erforderlichen Materialien sind vorhanden, um einem Massenanfall von Verletzten zu beherrschen. Wie jetzt simuliert.

Während sich die Mehrzahl der Einsatzkräfte um die Rettungskette kümmert, sind gleich mehrere Feuerwehren zur weiteren Gefahrenabwehr eingesetzt. Mehr als eine Stunde halten sie acht C-Rohre auf die südliche Seite des Schwimmhallengebäudes, um der vermeintlichen Chlorgaswolke mit Wasser zu binden und so zu verhindern, dass Menschen aus dem nahen Wohngebiet sich Verätzungen zuziehen.

Nach rund zwei Stunden Einsatz wird die Übung schließlich erfolgreich beendet. Auch das Problem mit den beiden Opfern, nach denen krampfhaft gesucht worden war, hat sich aufgeklärt. Die beiden Lehrer waren allein nach draußen gegangen. Klärungsbedarf besteht allerdings im Nachhinein, inwieweit die große Übung auch eine erfolgreiche war. Nicht alles ist glatt gegangen, konstatierte Einsatzleiter Martin Müller am späten Abend vor Ort und schiebt nach. „Aber dafür, das wir den Ernstfall beherrschen, ist die Übung da.“ Die Auswertung folgt.