Bundeswehr im Kosovo Bundeswehr im Kosovo: «Im Lager lief dann alles viel ernster ab»
Dessau/MZ. - Oberstleutnant Holger Strohmeier glaubte erst an einen Druckfehler. "500 Verletzte? Das konnte nicht sein." Doch Minuten später schwebten die ersten Hubschrauber ein, hingen Rauchsäulen über dem Kosovo, waren Schüsse zu hören. Abends kamen die ersten Flüchtlinge. Serben. "Die haben nichts mehr gehabt." Strohmeier und seine Soldaten halfen.
Der Kosovo schien ruhig. Doch die drei Tage im März haben vieles verändert. Längst gab es Pläne, die internationalen Truppen abzuziehen. Daran ist nicht mehr zu denken. "Das hätte Auswirkungen auf den gesamten Balkan", sagt Oberstleutnant Strohmeier, zurück aus dem Kosovo. Was Auslöser war für die März-Ereignisse? Strohmeier hat eine Theorie: Die Truppen, ein gewichtiger Wirtschaftsfaktor, sollten weiter im Kosovo gebunden werden.
Die Dessauer haben es geschafft. "Alle Soldaten sind heil zurückgekommen." Strohmeier, Kommandeur des Dessauer Bataillons, bilanziert das zufrieden. "Es gab keine Verletzten." 400 Soldaten zählt das Spezialpionierbataillon 174 am Standort Dessau, ganze dreißig davon sind noch Wehrpflichtige. "Wir sind viel im Ausland", begründet das Strohmeier. 200 Soldaten waren zuletzt dabei, in Przren im Kosovo, in Rajlovac in Bosnien und im afghanischen Kabul Feldlager zu betreiben. "Darauf sind wir spezialisiert." Die Soldaten sind dabei halbe Bürgermeister. Das Feldlager in Przren zählte 2 300 Soldaten.
Gefährlich bleibt der Auftrag. "Das ist kein normaler Job." Strohmeier weiß das. Der März hat es noch einmal in Erinnerung gerufen. Ohnmacht machte sich damals breit. "Das, wofür wir da waren, hat nicht funktioniert." Das Miteinander im Kosovo war trügerisch. Der Hass war wieder da. "Die Unruhen waren bestens organisiert", erinnerte sich Strohmeier. Ganz gezielt wurden Kirchen abgebrannt, wurde provoziert, wurden Serben vertrieben. "Das versteht man nicht." In der 80 000-Einwohner-Stadt Przren lebten noch 63 Serben.
Was mit den Unruhen verschwand, war die Lockerheit in der Truppe, die Einzug gehalten hatte. Der Wiederaufbau des Kosovo war längst Routine. Die Soldaten waren Bauingenieure. Der März machte die Bauingenieure wieder zu Soldaten. "Angst war nicht zu spüren. Doch im Lager lief dann alles viel ernster ab." Was hatten die Soldaten die Ausbildung belächelt: "Jetzt standen die Soldaten plötzlich vor tausenden wütenden Demonstranten." Mit der Waffe in der Hand.
So schnell die Unruhen kamen, so schnell waren diese wieder verschwunden. Nach und nach sind auch die Dessauer Soldaten zurückgekehrt an den Heimatstandort. Die letzten kamen Anfang Juni - mit erfülltem Auftrag. Das Ende des Spezialpionierbataillon 174 ist absehbar. Der April 2005 ist der offizielle Termin. "Ob wir aufgelöst oder verlegt werden, ist abzuwarten", sagt Strohmeier. Dessau ohne die Bundeswehr? "Die Geschichte spricht dagegen, dass sich daran noch etwas ändert." Ein Hauch von Abschied liegt über der Kaserne in der Junkersstraße. Ein Tag der offenen Tür ist geplant. "Die Bundeswehr hat in Dessau nie richtig stattgefunden", bedauert Strohmeier. "Zu Roßlau waren unsere Beziehungen viel intensiver." Der 12. Juni soll das ändern. Doch die Tore zur Bundeswehr könnten sich am Sonnabend ein letztes Mal öffnen.